Sonntag, 30. September 2012

Ausstellung Antibes Oktober bis Nov. 2012




Der "frischen Leere" in den Laubacher Räumen, steht nur die "verpackte Fülle"im Kunstraum Hohenstadt gegenüber.

Kunstraum Hohenstadt 30.9.2012

Am 1. Oktober werden 35, teils großformatige Arbeiten von 2002-2012 hier abgeholt und nach Antibes transportiert.

Wir reisen am 2. Okt. nach und bauen die Ausstellung dort auf.


Einladung Antibes


Eine Ausstellung "jagt" die andere, könnte man meinen? Ich erlebe das jedoch nicht so. Vielmehr geht eine aus der andern hervor. 

Die Ausstellungen sind in ihrer Gegensätzlichkeit und ihren so verschiedenen Räumlichkeiten und Umgebungen von besonderem Reiz, doch auch spannende Herausforderungen.

Die letzte Ausstellung "Rhythmische Basis" in diesem Jahr - außerhalb der Ateliers - wird in den "Sabine-Widmann-Studios" in Schwäbisch Gmünd am 10. 11. eröffnet.

Einladungen und nähere Infos folgen.



Frische Leere nach der Laubacher Phase



Foto: Matin Ertle, Vernissage am 6.9. 2012 im "Löwen"

Sonntagmorgen, 7 Uhr.

Ein dichter Bodennebel lag über der Landschaft als ich heute Morgen von Frauenhof ins Hohenstadter Atelier fuhr, um von hier aus Mails zu verschicken, und einen kurzen abschließenden Beitrag über Laubach in den Blog zu stellen.

Der Vollmond stand über der Landschaft. Kein Auto auf der Straße, kein Mensch zu sehen.
Weite Offenheit an diesem letzten Septembertag. Eine Stille in der der Kosmos spricht.
Innerliches lauschen und innehalten.
Kurz wie ein Blitz, doch ebenso geladen mit einer Kraft die in der überwältigen Schönheit dieses Morgens wahrgenommen, und aufgenommen sein will.


Foto: Matin Ertle, Vernissage am 6.9. 2012 im "Löwen"

Die Ausstellung in Laubach und das Zusammenwirken mit Ernst und Irene Mantel, war ein großer Erfolg. Das darf ich so schreiben, das ist bei aller kritischer Überprüfung eine Tatsache.
Viele interessierte Menschen kamen, blieben lange, und tauchten über die Ausstellung (Bilder von 1971-1986) auch in ihre eigene Geschichte ein.


Foto: Ursula Maier, mit Susanne Granzer "eine mögliche Geschichte des Herzens, am 22. 9.2012 in "Käsers Stall".

Vergehen (im Sinne von Vergänglichkeit) als Gehen. Gehen als Ziel auf etwas zu das im Verborgenen liegt. Während das Gewordene als sichtbare Spur auf einen Beginn hin verweist der ebenso im Verborgenen liegt.

Je offener etwas gezeigt wird, je klarer es in Erscheinung tritt, desto mehr verweist es auf das Geheimnis das allem Werden und Vergehen, aller Gestalt und allem Sein den Inhalt  und das Leben gibt.

Foto: "Selbst-Auslöser", mit Ernst Mantel nach dem Abbau am 28.9.2012

Die "Kunst zwischen Kuhmist und Milchstraße" in nun den alten Räumen des Löwen als frische Leere, einverleibt.





wieter Info:
http://www.abtsgmuend.de/data/kulturNews.php?id=282098



Samstag, 1. September 2012

Die Laubacher Phase 1971-1986 Teil 6, Das EI, Innenbilder


Laubach Blog in Folgen

zur Ausstellung

„Kunst zwischen Kuhmist und Milchstrasse“
Die Laubacher Phase
1971-1976

Vom 9.9. bis 23. 9. 2012



Teil 6

Das Ei
Innenbilder

A.B. "Aufbruch", 110 x 130 cm, Ausschnitt, Eitempera auf Leinwand, 1975


Ein weiteres Schlüsselerlebnis.

„Zeichnen Sie ein Ei“, schlug Prof. Grau mir vor. Ich mochte diese biedere Fleißaufgabe nicht. 
War im zweiten Semester und schon 68-revolutionär infiziert.
Dann aber zeichnete ich. 

Ein weißes Ei auf weißes Papier. Mit winzigen Strichen. Der weichste Bleistift den ich verwendete war 4 H. 

Ich lernte in dieser Woche in der ich dieses große Ei zeichnete so viel über Zeichnen, Hell-Dunkel-Wirkung und Papierstruktur. Lernte so viel über Licht, Verdichtung, Form, und Gestaltkraft, dass ich dem Ei, diesem unübertrefflichen kosmischen Design in dem sich Schutz und Aufbruch, Fragilität und Stabilität, Schönheit und Zerstörung, Perfektion und Chaos so innig verbinden, weiterhin von Neuen begegnete.

Es wurde daraus eines meiner zentralen Projekte in der Laubacher Zeit. 

Ich war in einer schweren Krise und hatte eine starkes Traumbild. Aus einer leeren stacheligen eisernen Ritterrüstung kletterte unbeschwert und munter ein kleines Kind.

Es tapste über das Schlachtfeld der kämpfenden Menschen ohne von ihnen in Gefahr zu sein. Sie machten ihm Platz, hielten kurz inne in ihrem Streit.

Dieses Innenbild war eine Initialzündung für mich. 
Ich macht mich daran diesen Traum als Trilogie zu malen. (Die Bilder werden auch in Laubach gezeigt.)
Daraus wurde ein jahrelanges Projekt und aus der Ritterrüstung ein gepanzertes Ei.

A.B. "Konflikt-Hoffnung-Lösung", Bild 4, 20 x 25 cm, Öl auf Holz, 1975, Laubach



Damals malte ich zu den Naturbildern auch an Innenbildern weiter. 
An Symbolen und Traumbildern, deren Bildsprache dem Surrealismus verwandt war. Doch nur was die Formebene betrifft. 

Im Surrealismus wurde dem Unbewussten die Kraft der Wahrheit zugeschrieben, die es ungeschminkt zu äußern galt, vorbei an den Kontrollmechanismen eines konditionierten und kontrollierenden Verstandes. Das suchte ich nicht. 

Mir ging es darum die unbewussten Traumbereiche zu erkunden um von dort Bewusstsein und Erkenntnis für die existenziellen Fragen zu gewinnen. 
Und darum dass die überbewusste intuitive Intelligenz, und die unterbewussten Instinkte und Kräfte sich im bildnerischen Prozesse begegnen wie das Licht dem Dunkel im Laubacher Schloss, wovon später zu erzählen sein wird.

A.B. "Landschaftsfrau", Aquarell, 30 x 50 cm, 1972, Laubach



Die Natur im Außen und die Natur Innen - als menschliches subjektives Erleben - wurden nach und nach als Grundgesetze von Leben erkennbar und als solche auch erfahren. 

Die Dualität von Licht und Dunkel, von Geist und Materie, von Urbild und Schein zeigten sich in ihrer überzeitlichen Gültigkeit. 

Jede Zeit hat ihr spezielles Kleid darüber gezogen, doch der Körper ist derselbe geblieben, seit je.



A.B. "Lebensschalen", Mischtechnik/ Papier, 25 x 30 cm, 1972, Laubach




Die große Gefühle haben alle Menschen gemeinsam, egal welche Sprache sie sprechen, ebenso die großen Gedanken. So wie auch der Apfel vor dem Häuschen in Laubach in Indien bekannt ist, so sind es auch Freude, Trauer, Angst, Hoffnung.  



A.B. "Vertikal-Horizontal", Öl auf Papier, 20 x 15 cm, 1972, Laubach



Das Naheliegende ist universell. Doch das Universelle erscheint banal wie das Gras (was es nicht ist)  da es gewohnt ist wie der Atem und der Herzschlag, wie die Gesundheit, bis dieses so Selbstverständliche plötzlich nicht mehr selbstverständlich ist. 

Mich interessierte das Universelle im jeweiligen Zeitkleid. Ich lernte auch all die Stile und Mittel um ein solches Kleid zu basten. Nein, das ist kein Schreibfehler, ich meine basten, nicht basteln.

Meine Frage, die ich mit künstlerischen Mitteln und und holzschnittartigen philosophischen Gedanken stellte, war: 

Gibt es eine Möglichkeit den immerwährenden Streit der Gegensätze aus der Feindschaft in die Ergänzung zu übertragen? 

Man muss schon naiv sein sich solchen großen Fragen ernsthaft zu stellen. Ich war naiv -  glücklicherweise.



A.B. Werkbuch 12, "Heilige Kuh im fortgeschrittenen Stadium", Studie, 1975, Laubach



Indien

Mit einem Stipendium der Studienstiftung konnte ich dieser Frage in Indien nachgehen. 
In dieser völlig anderen und älteren Kultur als der europäischen. 

Dort wurde das Gesetzt der Dualität nicht sofort in ein Freund-Feind-Schema gepresst, das den Menschen in gut und böse teilt und ihn so spaltet. 

Der höchste Gott, Vishnu ist auch schon mal als Ratte rumgeschlichen, oder erschien als Bettler. 
Also Vorsicht mit Vorurteilen! Die Ameise könnte ein Gott sein. Und niemand lacht dich aus, wenn du das ernst nimmst.

Das Göttliche ist außerhalb des Fassbaren doch innerhalb der Welt wirksam und so selbstverständlich anwesend wie die Sonne und die Moskitos.

Auch in Indien ist vom Weltenei die bildnerische Rede. Wie auch sollte man von Unfasslichen anders als in Mythen, Märchen, Paradoxen und Symbolen sprechen?


A.B. "Jeder Einfluss ist ein Ausfluss", Öl auf Tuch, 40 x 60 cm, 1974-75, Berlin und Laubach

Die Natur zeigt, dass nicht der Streit, sondern ein dynamisch-harmonisches Zusammenwirken der Gegensätze das Leben bewirkt und erhält. 

Der Streit und der Kampf sind in der Natur ein partiell auftretendes Phänomen, doch nicht die treibende Kraft. 

In unserem menschlichen Zusammenleben sind die Gewichtungen falsch. Hier dominiert der Streit, und die Feindschaft maßt sich dummdreist an, einem evolutionär bedingten Naturgesetz, oder noch fataler: einem göttlichen Willen zu dienen. 

Dann gibt es nur ein Pendeln zwischen den zusammengehörenden Kräften die sich feindlich spalten und das mit Blut betriebene Riesenrad von Sieg und Niederlage drehen. 

Ein echter qualitativer Fortschritt ist so ausgeschlossen. 
Doch ist dieser möglich. Offenbar aber nicht käuflich erwerbbar, weder übertragbar noch delegierbar. 
Es führt  scheinbar nur ein einsamer Weg zur heiligen Stadt.


A.B. "Variation eines unendlichen Themas", 100 x 70 cm, 1975, München/Laubach

Das Ei ist ein Wunder an Synthese. Synthese auf kleinstem Nenner. Hier verbinden sich Urkreis und Urstrahl, weiblich und männlich zu dieser Form. Eine Form, die interessanterweise in der westlichen modernen Formensprache nicht zu den Grundformen, Kreis, Quadrat, Dreieck gezählt wird. Doch wo sich Kreis und Strahl auf bestimmte Weise ergänzend begegnen, entstehen die Spiralen. Insofern ist es keine Grundform, sondern eine Lebensform.

Deshalb bin ich nach Südindien gereist, weil dort eine neue Stadt gegründet wurde, die die Form einer Spirale haben sollte. Nein, heilig ist sie noch nicht, doch sie ist darauf ausgerichtet. Auroville. Gegründet von "der Mutter" mit den Nationen der Welt, auf der Basis des universellsten Menschen der mir je in Schriften begegnet ist: Sri Aurobindo.

"Heilig", das klingt bei uns oft wie Dreck, oder Kitsch. 
Ja, wir hatten schlimmstes, heilloses Heil hier. Unheil erzeugend.

So muss man da ein wenig sparsam und behutsam sein mit solchen Worten. Wenn auch nicht mehr feige. 
Die Schonzeit ist vorbei. 
Man muss das Schöne wieder wagen und beharrlich die lebenspendende Nabelschnur durch den braunen kollektiven vergifteten, verminten, verdorbenen Sumpf legen, bis sie wieder anschließt an die Kräfte und Geister deren Deutschsein keinen Größenwahn enthält, sondern die Größe freien Denkens. An Schiller und Goethe +*.  

In Indien aber konnte ich das Heilige ungebrochenen Herzens fühlen, schreiben, malen und sagen. Sogar jubeln.

Selbst durch den buntesten Kitsch konnte ich das Lachen der Götter vernehmen, oder es mir doch ungestraft einbilden und vergnüglich vorgaukeln. Kein Sittenwächter, kein "Du-darfst-deine-Schuld-nicht-vergessen-Agent" bewachte mich.
Die inneren Tribunale konnten sich in dem fremden Klima nicht halten. 

Doch bevor ich das erlebte machte ich eine Reise durch Europa zu den großen Meistern in den Museen.
Ich wollte die Kraft des Abendlandes aus diesen Werken trinken und mitnehmen. 
Das war auch gut so. Die Früchte davon gingen nach meiner Rückkehr auf. 

Vor meiner großen Fahrt, mitten in die existenziellen Fragen die das Leben in mir weckte, stellte 1973 Großmutter Köngeter eine Pappkiste mit roten Äpfeln auf die Treppe des Häuschens.
Ganz unten stellte sie die Kiste ab. Ich holte die Früchte hoch  auf meinen Arbeitstisch um sie zu malen.
Mit Pastell auf Packpapier.

Nur diese Apfelkiste, ohne surreale oder phantastische Verfremdung. Die Entsprechung zum blühenden Apfelbaum.
Reines Symbol in alltäglicher Gestalt. Immer wieder im in solchen Tagen das All anwesend. Beglückend, wenn die Anstrengung mühelos wird und gelingt was Bestand hat.

Auf die Wand im Aussellungsraum "Im Löwen" schrieb ich letzte Woche einen Satz der in den Werkbüchern steht:

"Ständig im Wandel, das Bleibende treffend."

Das war vor der großen Reise mein letztes Bild.
Es gibt kein gutes Dia davon. Wahrscheinlich sollte ich sie gar nicht reproduzieren.
Doch ist die Apfelkiste in "Käsers Stall" bei Ernst Mantel ausgestellt.



A.B. "Konflikt-Hoffnung-Lösung", Bild 5, 20 x 25 cm, Öl auf Holz, 1975, Laubach, verschollen



A.B. "Evolution", Öl auf Tuch, 400 x 80 cm, 1974, Pondicherry










Die Laubacher Phase 1971-1986 Teil 5, RaumZeit



Laubach Blog in Folgen

zur Ausstellung

„Kunst zwischen Kuhmist und Milchstrasse“
Die Laubacher Phase
1971-1976

Vom 9.9. bis 23. 9. 2012


Fünfter Teil

RaumZeit



Foto: A.B. Saal "Im Löwen", Laubach 4.1.12




26 Jahre war ich nicht mehr in den Räumen meines ehemaligen Ateliers. Sie schlummerten und staubten vor sich hin. 
Die Spinnen woben ungestört ihre kunstvollen Netze. Meterlang. 

Ist die Zeit darin stehengeblieben. 
Kann die Zeit stehenbleiben? 

Ich öffne die großen Fenster und die Sonne schreibt ihr Licht auf den Holzboden, der seinen warmen Grundton in den Raum abstrahlt. Es duftet nach erfrischtem Alter.


Foto: A.B. "Im Löwen" Laubach 25.8.12

Raum und Zeit sind fühlbar präsent, nicht vergangen. 

Das Vergangene kommt frisch geputzt und jung als Zukunft wieder auf dich zu und tanzt in der Gegenwart den Reigen von Kommen und Gehen im immer währenden Sein.

Konkret wird hier an der Zukunft der „Laubacher Phase von 1971-86“ gebaut. 
Es wird aufgebaut im Abbruchhaus. Nächstes Jahr wird es abgerissen. 

„Aufbau im Abbruchhaus“. Wer denkt das schon an den Euro und an Europa?

Ist das nicht eine der spezifischen Kräfte und Fähigkeiten des Menschen, speziell der Kunst, aufzubauen und Gestalt zu schaffen wo sich Entropie und Auflösung ereignen. Das ist zugleich natürlich, denn jeder Apfel trägt, wenn er fällt, die Gewissheit seiner Zukunft in den Kernen mit hinab.

In diesen leeren Räumen suche, erwarte, nein! erahne ich eine neue Figur, die sich aus den gegenwärtig anwesenden Arbeiten, Räumen, Gedanken, Ideen und Sichtweisen ergibt. Mal sehn.



Foto: A.B. 11.7.12 Laubach, Atelier "Im Löwen"


Nachdem wir, Bernhard und ich, sorgfältig gekehrt und die Wände und Decken vom Spinnenwerk entwoben haben blieben die Flecken an den Wänden und die Risse. Einen Raum wischte ich nass und bohnerte den Boden mit Wachs, wie ich das in den Jahren meines Wirkens hier immer tat, denn der Grund, die Grundierung war wichtig.

In diesem Raum putzten wir auch die Scheiben, im andern Raum ließ ich den Staub von 26 Jahren an den Fenstern.
Schritt für Schritt machte ich mich mit der Situation vertraut. Schon der leergeräumte Saal hatte eine Kraft und seltene Stimmung.

All das was ein heutiges Haus ausmacht ist hier nicht mehr vorhanden, außer der bloße Raum, die Luft darin und das Licht das sich durch die großen Scheiben einspeiste. 

Alles ist ausgezogen. Meine Kunst zieht ein. Ich hänge sie nicht an leere Wände, sondern an die Wände der Leere.


Foto: A.B. "ZEIT LOS", Laubach, "Im Löwen" 25.8.12

RaumZeit. 

Wände, Böden und Decken erzeugen zusammen eine durchsichtige Raumskulptur. 
Einen Luftkörper dünner ist als der Stoffkörper. So dünn, dass er das Licht durchlässt das auf die dichteren Körper trifft und sie als getrennte Objekte zur Sichtbarkeit bringt. 

Ein Raumkörper ergibt sich, sinnlich erfahrbar, durch die Umgrenzungen.

Mein KörperSein ist Teil davon, nimmt daran teil, bewegt sich darin. Geschichtlich und unmittelbar.

Der Luft-Raum ist ein feinerer Körper in dem die dichteren Körper sich bewegen wie Fische im Wasser, und stehen können, gehalten von dem Sog der Schwerkraft aus dem Erdkern.

Der Raum nimmt auf und gibt frei. Du kannst kommen und gehen, er bleibt mit sich identisch.

Doch Raum ist nicht nur das was die Mauern umgrenzen, er ist auch Erinnerungsraum.
Nächstes Jahr ist er nur noch Erinnerungsraum.
Was wird frei wenn sich dieser Raum im Unbegrenzten auflöst?

Doch jetzt erleben diese alten Mauern noch einmal einen entstehenden Erwartungsraum
Sie freuen sich rissig.

Foto: A.B. 11.7.12 Laubach, Atelier "Im Löwen"

Das Licht wirkt, wie immer: frisch. Wir wissen ja: im Licht gibt es nichts Vergangenes, nichts Zukünftiges. Licht ist die pure Gegenwart. 

Licht ist die Grenze der Zeit. Und hinter der Grenze tanzt das große pulsierende Nichts im Festsaal des Löwen all die Tänze weiter die hier erträumt wurden.

Nein die Zeit ist nicht stehengeblieben, das ist so eine Redensart. Oder doch? 
Vielleicht ist sie doch stehengeblieben. 

Steht still und schaut sich aufmerksam um. 
Betrachtet alles genau, den Reigen der Dinge, die Äpfel und die Knospen, die Nacht und den Wind, die Kinder und die Alten. Das Glatte und das Gefurchte. 

Es würde mich nicht wundern, wenn die Zeit dann zu zeichnen anfinge, denn um zu zeichnen musst du stehen bleiben, ruhig sein, bevor sich die Bewegung durch dir ereignet. 


Foto: A.B. "Novalis-Buch" 1973, Laubach

Merkwürdig, dass dieses „Stehen-bleiben“ so einen schlechten Ruf hat, „Stand-Punkt“ aber wieder einen guten. 
Ich frage dich: wie soll ich mir einen „fortschrittlichen Standpunkt“ denken?


Abbruchhaus Museum

Ich stelle mir vor diese Ausstellung fände in einem jener großartigen Museen statt in der alles was dort drin ist unmittelbar zu Kunst mutiert, allein schon durch die Magie des Ortes. 

Was wäre anders: Völlig klar, das ginge gar nicht. Es sei denn man könnte das ganze Haus so wie es ist, mit der Installation im Festsaal dort aufbauen. Und das braucht es nicht, denn es findet ja schon hier statt, im temporären Museum Laubach.

Foto: A.B. Atelier "Im Löwen", Laubach 1983

Hier findet eine Umkehrung statt. Das wurde mir nach und nach klar. Denn ich bin es ja auch gewohnt und hab es gern, wenn die Bilder auf perfekte Wände kommen in einer gepflegten und repräsentativen Umgebung. 
Hier ist etwas anderes wirksam, eine seltene Möglichkeit zu begreifen und zu ergreifen. Es hat gedauert bis ich es erkannt und verstanden habe.

Die Kunst tritt hier, in diesem Umfeld, das mit allen Rissen signalisiert dass es nicht weitergeht, in einen seltsamen Kotrast. 
Üblich ist es dass die Kunst von der Umgebung geschützt wird, dass diese ihr Sicherheit gibt und ihr bestmögliche Entfaltung anstrebt.  Hier ist es anders. Hier spricht die Kunst in leiser Präsenz, unaufdringlich von der Kraft ihrer Dauer.

Ich habe den Eindruck, und das gibt mir die Kraft und Lust zu all dem Aufwand, dass sich die Kunst hier völlig frei entfaltet, in aller Sensibilität, Zartheit und Zerstörbarkeit. 
Dass sie sich als stabile sichere Kraft spüren lässt, so machtvoll, zuverlässig, gefährdet und zu zart, wie ein Löwenzahn auf dem Mittelstreifen der Autobahn. 





Foto: A.B. Ausstellungsraum "Im Löwen", Laubach, 24.8.12


Die Kunst ist hier kein zu schützendes Biotop, sie ist der Ausdruck einer universellen schöpferischen Kraft durch den Menschen, die ihn zum Menschen macht.  

Die Kunst ist ein machtvolles Inneres, dessen Schale aufzubrechen beginnt, wie beim einem Ei.


Foto: A.B. Ausstellungsraum "Im Löwen" 25.8.12 Laubach

Foto: A.B. Ausstellungsraum "Im Löwen" 25.8.12 Laubach

Die Laubacher Phase 1971-1986 Teil 4, Ernst, oder: wies kam


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„Kunst zwischen Kuhmist und Milchstrasse“
Die Laubacher Phase
1971-1976

Vom 9.9. bis 23. 9. 2012




Foto: Roland Bauer, Ernst und Alfred mit Wenzel in Laubach 12. 7. 2012

Teil 4



Ernst



oder: wies kam



Vor drei Jahren erweiterte ich das KUNSTKLOSTER art research um ein Atelier in Berlin.

Eine Woche nach der Finssage meiner zweiten Ausstellung in Berlin „Strömende Ordnungen“ wird die Laubacher Ausstellung „Kunscht zwischen Kuhmist und Milchstraße“ eröffnet. Radikal ländlich. Weltprovinzmäßig. 

Seit ich in Berlin bin weiß ich sicher: Provinz ist heute kein Ort auf der Landkarte mehr, sondern ein Zustand im Kopf



Zudem: wo gibt es Neues das nicht aus dem Alten käme? Schau doch nur die alten Apfelbäume im Frühling an. 
Fortschritt heißt nicht nur weggehen, sondern auch, bereichert mit neuer Einsichten, wieder hinzuschreiten. 
Zu diese erneuten Hin-wendung inspirierte mich Ernst Mantel. 
Seit 14 Jahren lebt er mit seiner Familie in Laubach und unterhält mit seiner Frau Irene sein intelligentes Kabarett „Schwäbisch International“ in „Käsers Stall“. 
Er ist für mich das Neue an Laubach, denn damals war ich der einzige Künstler weit und breit. 

Seit einiger Zeit treffen wir uns zu Spaziergängen und nehmen Hund Wenzel mit. Da entsteht manche Idee und diese hier, eine Ausstellung zu machen nach 41 Jahren, wird nun realisiert.  Erst hatten wir nur vor in „Käsers Stall“ Bilder zu zeigen, dann wurde das leerstehende Nachbarhaus, in dem mein Atelier war, mit einbezogen.  
Kulturamtsleiterin
Sigi und Hans Köngeter, die Eigentümer, waren gleich damit einverstanden. 
Dazu kam noch grünes Licht von der Gemeinde Abtsgmünd und die kompetente Unterstützung und Begleitung durch 
Judith Bildhauer. 



Foto: A.B. Ernst Mantel und Judith Bildhauer vor Bilderwand, 22.8.12, Laubach

So wurde aus einem kleinen Projekt ein großes, umfassendes und für mich hochspannendes. 

Es ist eine Herausforderung dort noch einmal so intensiv hin zu gehen, wovon mein künstlerisches Wirken und Werken ausging und dem, aus einer andern Sicht heraus zu begegnen was geworden ist: Geschichte. 


A.B. "Sehen" 1978, Öl auf Leinwand, 30 x 30 cm

Dass ich meine Kunst in einer weltpolitisch friedlichen Zeitzone so entfalten konnte ist mir dankbar als etwas selten Kostbares bewusst. Solche Chance hatte die Generation vor uns nicht. 
Auch verdanke ich diese Entwicklung der Unterstützung naher Freunde, die es mir erlauben meine Kunst nicht vorrangig als Ware produzieren zu müssen, deren Wert vom Marktgesetz: Angebot-Nachfrage bestimmt wird. 

Mein „Produkt“ ist wesentlich als Bewusstseins- und Wahrnehmungsarbeit zu verstehen, deren Wert ein atmosphärischer und energetischer ist. Er kann ebensowenig gemessen und statistisch erfasst werden kann wie ein verhindertes Unglück. 

Dass eine solche Arbeit als Luxus mit Sahnehäubchen verstanden wird ist ein Skandal! Oder wenigstens ein Skandälchen.



Foto: A.B "Gasthaus Löwen", 31.7.12. Laubach




Foto: A.B. Wegweiser vom Atelier aus, 31. 7. 12, Laubach



In „Käsers Stall“, werden 7 Bilder zu sehen sein. Ernst und ich werden zudem öffentlich zwei gefahrvolle Erkundungen in Deutungsdschungel der Kunst wagen. Middisage 16.9. 11 Uhr, und Finissage 23.9. 11 Uhr.

 Die Ausstellungsinstallation mit Werken aus eigenen Beständen und Leihgaben im abbruchbereiten Festsaal des Löwen ist direkt gegenüber.


Foto: Roland Bauer, A.B. und Ernst Mantel im leeren Saal des Löwen, Laubach, 12.7.12


Die Laubacher Phase 1971-1986 Teil 3


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„Kunst zwischen Kuhmist und Milchstrasse“
Die Laubacher Phase
1971-1976

Vom 9.9. bis 23. 9. 2012

Teil 3



A.B. "Blütenbaum" Aquarelle auf Packpapier, 1972, 40x50 cm

Aussenbilder

Zu den Schlüsselerlebnissen 1972 gehörte das Zeichnen des Blütenbaumes vor dem Häuschen. 
Ihn gibt es heute noch und ich habe einen Apfel mitgenommen und auf den Tisch gelegt.


Foto: A.B. Atelier im Löwen 2012


Schlüsselerlebnis deshalb, weil mir die Natur erstmals nicht nur Motiv zum malen war, sondern Öffnung. 

Die Apfelblüten, allesamt Fünfsterne, summierten sich zu Sternenhaufen die auf dem dunklen Grund tanzten. 
In geordneten und zugleich freien Schwärmen kamen sie wie Zugvögel daher. Der Stamm und die Äste, in ihrer Architektur, ihrer Statik und Geometrie, ihrer Balance und Ausfaltung im Raum wurden zur Innenansicht des Gehirns der Natur das mit meinem unmittelbar Kontakt hatte. 

Ich sah die Natur erstmals von Innen. Nicht als Objekt, sondern als Wesen. 

Ein Wesen das kommuniziert, ein Wesen dem ich zugehöre. Was solche Erlebnisse bewirken lässt sich kaum sagen. Jedenfalls wurde diese schlichte Zeichnung auf altem Tonpapier zu einem Schlüssel zu einem völlig neuen Wahrnehmungsraum. 

Die sichtbare Natur zeigte sich als Manifestation des Lichtes und der Erde. 
Das hat sich seither noch gesteigert. 
Ich kann keinen Apfel mehr anschauen ohne in ihm die nährende Erde selbst zu sehen - als rote Fruchtgestalt. 

Außenbilder wurden Innenbilder. Die Natur wurde zum Symbol und Ausdruck des Unsichtbaren.



A.B. "Apfelbaum", Farbstift auf Papier, 1982, 100x150 cm




Dass eine solche Begeisterung von Natur als romantisch weltfremd eingestuft wurde, oder noch schärfer als braune nationalsozialistische Naturverklärung, oder doch wenigstens als kunstgeschichtlich anachronistisch, das habe ich verwundert alsbald von Kritikern um die Löffel bekommen. 

Dieser Blütenbaum hat bei seinem ersten öffentlichen Auftritt in der Galerie "Amto" in Frankfurt wegen seiner Schönheit mache provoziert. Andere waren positiv berührt. Kitsch sei das und gefährlich idealisiert, wurde ich belehrt. Die Natur sei nicht schön, sondern grausam. Das sei schöner Schein, Augenwischerei, eine verkaufsstrategische Anmanche etc. 
So kann man das auch sehen, gewiss. Doch dann sieht man nicht das was ist.

Es dämmerte mir auch nach und nach, dass andere hohe Werte wie: Ideal, Natur, Schönheit missbraucht. und deshalb geächtet und sogar selbst verdächtigt wurden die Urheber der Verfehlung zu sein. 

Ein ziemlich altes und hochaktuelles Thema, der unschuldigen Erscheinung des Schönen die Zeichen des Teufels auf die Stirn zu tätowieren oder ihr eine Burka überzustülpen. 

Als eine Nebenwirkung ergab es sich dann, diesen nährenden, in unserem Kulturkontext missbrauchten Werte, von ihrer Fremdbeschmutzung  zu reinigen. Das war und ist manchmal so heikel wie Bomben entschärfen.

Auch das komplexe Thema von Verführung, Schein und Wirklichkeit öffnete sich hier. 

Um mich vor den externen und internen Tribunalen der Kunstgeschichte und der tradieren Vorurteile verständlich machen zu können, begann ich, parallel zum malen, intensiv zu schreiben. Das wurde mir wiederum anderherum vorgehalten, denn Bilder dürfe man nicht erklären! Maler haben das aus zudrücken was nicht in Worte gefasst werden könne. 
Als gäbe es keine Wortbilder, und als würden Bilder nicht Worte und Deutungen in Turbogeschwindigkeit erzeugen. Damit ist die Berufsgruppe der Kritiker und Kunstdeuter beschäftigt.


Maler haben dumm und geil zu sein, wurde mir gesagt. Das Wort (kein Bild!) stamme von dem großen Maler Lovis Corinth. Warum es allerdings so wenig gute Maler gibt bei dieser Dichte von Dummheit und Geilheit bleibt mir ein Rätsel. 



Doch letztlich wurde auch die entfernteste Kritik wertvoll, da sich mich zwang zwischen Beleidigtsein, Verhärtung und Anpassung einen Weg zu finden oder einen zu schaffen. 

Alles diente zugleich der Introspektion und warf Licht auf das  Dunkel der eigenen Strukturen.



Foto A.B. "Äplbaum", Laubach 2012