Samstag, 29. Mai 2010

zu den Bildern von Neo Rauch, an Pfingsten in Leipzig

...ein langer Text über Bilder

überhaupt nicht internetgängig und dazu noch ... ohne Fotos!

Vor einigen Jahren begegnete ich erstmals einem seiner Werke in der Staatsgalerie in Stuttgart.
Es hat mich unmittelbar beeindruckt. Kein Kontext, sondern das Bild selbst.
Solches Erlebnis ist selten in der zeitgenössischen Kunst, und für mich immer ein Zeichen von Qualität, weil die Bildsprache unmittelbar wirkt, wie es seit je ihre Stärke ist.

Deshalb nahm ich gerne eine Einladung über den Freundeskreis der Kulturstiftung der Länder am Pfingstsamstag an, an der Ausstellungsführung durch Neo Rauch und Dr. Hans Werner Schmidt, dem Museumsleiter und Mitorganisator der Ausstellung, teilzunehmen. Ich war noch nie zuvor in Leipzig und „opferte“ zwei Tage.

An diesem Pfingstwochenende war die Stadt voll von "Gothik-Menschen".
Geoutetes Verdrängungs- und Schockpotenzial in allen Variationen.
Manches davon hat sich bald mit bestimmten Regionen seiner Bilder überlagert.

Ruhm hat seine eigene Magie. Die Begegnung mit einem weltberühmten Künstler stellte für einen viel weniger bekannten Kollegen eine subtile psychische Herausforderung dar.

Über das gefährliche Minenfeld des Vergleichs, an den saugenden, sorgfältig getarnten Magnetfeldern des Neids vorbei, gelangte ich schließlich bei seinem Werk und seiner Präsenz an.

Seine offene, selbstreflektierte wache Haltung, der sympathische Herr des Hauses, anwesende Freunde, und die interessierte Gruppe erzeugten eine gute Atmosphäre. Seine Art über die Arbeiten zu sprechen ergänzte, eröffnete, ohne etwas durch die Worte zu verstellen.
Es vermied alles was träge Erwartung bedienen würde. Es war für mich, und, das kann ich sicher hinzufügen, für die ganze interessierte Gruppe, sehr wertvoll. 

Am Sonntagmittag war ich nochmals in der Ausstellung mit dem Titel: "Begleiter". Die Bilder wirkten, ohne seine persönliche Präsenz, fast noch stärker als am Abend zuvor. Das hat mich überrascht.
Sie schlüpften, entwischten aus dem biografischen, persönlichen Kontext, lösten sich ab vom Autor, und füllten frei und vehement die Räume mit einer intensiven visuellen Musik.
Jedes trat auf seine Weise in Beziehung mit den andern Bildern und mit jedem Besucher. Dabei, so schien es, hatten die Besucher ein unsichtbares „Headphone“ auf, und reagierten auf die bildnerischen Signale, wie in einem interaktiven Spiel. Sie traten in die Räume ein, in die Figuren und deren Handlungen und damit bei sich selbst. Selten hab ich so viele Menschen in einer Ausstellung zeitgenössischer Kunst gesehen, die derart konzentriert die Bilder betrachteten, und von den Bildern betrachtet wurden. Auch die "Gothiks" waren zahlreich anwesend. "Cool", das Mantram der Abgründigen, war öfter zu hören.

Die Risse und verschiedene Ebenen in seinen Bildern trennen und verbinden zugleich. Auch die Risse und Ebenen im Betrachter.
Wenn ein Raum oder Gegenstand sich in eine malerischen Geste ergießt, oder eine Figur sich in farbiger Fläche löst, ist das nicht nur ein virtuoses Surfen mit den bildnerischen Möglichkeiten, sondern diese werden zugleich neu kodiert.

So wie im Gehirn bekannte Muster sich durch eine Intuition zu neuem Zusammenhang verbinden können, der die vertrauten Muster rückwirkend als Zeichen einer unbegreiflichen Botschaft ahnen lässt und rätselhaft anreichert.

Die Bilder wurden nicht nur von den Betrachtern ergänzt, sondern ergänzten die Betrachter ebenso.  


Nach der Ausstellung, erlebte ich deren Fortsetzung in der Stadt.
Das Vor-Höllische, Mephistos weitläufige Verwandtschaft, pilgerte im aufwendigsten Design, in der teuersten Kostümierung, gelassen durch Leipzig.
Das Schöne kam als Hässliches daher. Das Hässliche als Schönes. Ein höllisches Paradies. Das war nicht ohne Humor.

Das Schöne und das Böse

Die Hölle verweist, unfreiwillig, immer auf einen Himmel, denn sie ist nie das Primäre. Hölle ist immer Sekundär, Folge, Reaktion, Imitation. Die Hölle hasst das Primäre, aus sich selber Lebende, hasst das zweckfreie Schöne, raubt den Schein und ahmt das Schöne nach. Spannt es intelligent, grell leuchtend und grinsend vor düstere Absicht.

In fast allen Beschreibungen und Bildern sind die Höllen weit phantasievoller und attraktiver als "die Himmel".
Wenn sich der Mensch nach „oben“ projiziert, vergrößert er in der Regel nur seine Begrenztheit und bläst seine Enge zu Konzernen und Palästen auf.
Dann strandet er in opulenten Illusionen und badet im Kitsch.
Oder löst sich in monochromer Leere auf.
Oder wirbelt in ironischen Distanzen um seine Hohlheit.
Jedenfalls in der Neuzeit.

Alte, spirituell ausgerichtetet Kulturen, wie etwa die ägyptische, die griechische, oder die östlichen, hatten dieses Problem nicht. Für sie waren "die Himmel" noch offen und durch Kunst zu erreichen. Kunst war noch viel mehr die Empfangsstation für göttliche Frequenzen. Und in viel geringerem Maße ausschlachtbare Ressource für partielle Macht- und Prachtrepräsentanz. Ausnahmen finden sich freilich damals und heute.

Es gibt nur wenige Bilder in der westlichen Kunst, bei denen die gemalte Schönheit "Himmel“ auch enthält. Das bekannteste Beispiel ist wohl der auferstandene Christus des Isenheimer Altars von Grünewald.

Dem Himmel gehört die Schönheit zu. Doch wird ihre Zaubermacht als Folie, Schein, Köder, Lockvogel, benutzt und oft genug missbraucht.

Es gibt dann die Diktaturen die sich mit ihr schmücken und die Schönheit selbst zur Diktatur erheben.


So wurde und wird sie

...ins blasse Ideal entkörpert,

...von brauner Dumpfheit zur geistlosen Götzin erniedrigt,

...als Galionsfigur auf die Galeeren uniformierter Kollektive gespannt,

... im Scheinwerfergrill anheizender Werbung, von Markenheroen und
entpersonalisierten Puppen, an hypnotisierte Endverbraucher verbraten,

...oder - Hybris der Machbarkeit - als Schönheitnormierung in reifende Gesichter implantiert, die zu ent-falteten Masken und Karikaturen gerinnen.

MODERN modern

Doch erscheint sie auch pur, unkorrumpiert und unverhofft, etwa in einem Kinderblick, auf einer Blumenwiese, auf einer Ruine im Sonnenlicht, im Winken eines Freundes.


Die moderne Kunst hat das Schöne weitgehend aus ihrem Repertoire verbannt. Es der Werbung überlassen. Von dort schwappt es vehement in die Kunsttempel zurück.
Als gekrönte Barbiepuppen, auf glitzernden Teppichen aus teuer gewebten Kunstkontexten, im Blitz- und Schweinwerferlich einherschreitend. Scheinbar ironisch gebrochener Kitsch.

Die mit dem Kitsch arbeitenden Künstler Jeff Koons oder Murakami etwa, lösen hier nichts auf, sondern okkupieren Tabus und verbinden sie mit einer intelligenten Strategie und berechneter Produktion, die den nervenhungrigen und spekulativen Bereich des Kunstmarktes, der von Skandalen, frischen Sensationen und gewinnträchtigen Investitionen lebt wie Kühe vom Gras, erfolgreich bedient.
Insofern ist dies für mich reaktive, und damit sekundäre Kunst, wie teuer sie auch gehandelt werden mag, keine primäre, wie die von Neo Rauch. Weder zu Koons noch Murakami wäre ich angereist.

In Rauchs tritt das Schöne nicht vordergründig auf, doch ist es anwesend.
Vielleicht auch dadurch, dass sie mich als Betrachter nicht zum Voyeur grausamer Szenen reduzieren, sondern zwischen die Sensationen des Gefährlichen so etwas wie eine optische Atempause einlegen, die einen unbesetzten Raum frei gibt. Eine kurze Stockung vor dem Schrei - oder der lösenden Antwort. Dieses Stocken erlaubt einem Nichtfassbaren, und das könnte eben der Himmel sein, seine Anwesenheit.

Doch wahrscheinlich ist das was ich hier schreibe, nur Projektion und spiegelt viel mehr den Betrachter als die Wirklichkeit seiner Bilder. Mag sein. Doch die Bilder wirkten in die reale Wahrnehmung hinein, und beeinflussten die Sehweise.

Gelungene Bildern wirken bildend auf die Welt zurück aus der sie stammen.  

Auf der Rückfahrt mit dem Zug am Sonntagabend, von Leipzig nach Aalen, sah ich zum Beispiel den nächtlichen Wagon mit seinen Neonlampen und Schildern, Spiegelungen und den vereinzelten Fahrgästen „mit den Augen seiner Bilder“.

Ich fand in Neo Rauch, an diesem Abend, keinen Zombie des Markes vor, auch keinen der mit dessen Mechanismen geschickt jongliert, keinen vom Ruhm angeknabberten, vom Geld hypnotisierten Vertreter der zeitgenössischen Kunst, keinen Star der primär vom Schein-Werfer-Licht der Projektionen anderer leuchtet, sondern einen erfreulicherweise weltberühmten und authentischen Künstler, der aus eigener Kraft wirkt. Doch auch im Wissen, dass diese von tiefen Schichten gespeist wird, die nicht allein dem Willen und Zugriff gehorchen. Und einen Menschen dem die Augenhöhe, bei aller Differenzierung und notwendigen Unterscheidung, das Höchste und Liebste zu sein scheint. So jedenfalls erlebte ich ihn.

Seine Bildern sind grandios und noch bis August in München in der Pinakothek der Moderne, und in Leipzig im Musum für bildende Kunst zu sehen.

Sonntag, 9. Mai 2010

Die Kunst der Deutung, oder: der DeutungsKünstler

Die Kunst der Deutung

...mal wieder durfte ich einer suggestiven Kunst-Führung beiwohnen.
Ein KunstDeuter "briefte" bzw. "impfte" seine Zuhörerinnen und Zuhörer.
Ich "musste" sehen was er mir sage. Denn man sieht was man weiß, und das was man wissen soll, das sagte er.

Das hat mich tief beeindruckt und ich denke: heut ist Sonntag, probier das mal aus.
Falls das mit dem Malen mal kunsthistorisch verboten wird. Wer weiß.
Statt sonntags malen, mal sonntags deuten. Das hat vielleicht Zukunft: Kunstprediger.

Ich fotografiere also, ohne groß zu überlegen, spontan, "aus-dem-Bauch-raus", drei Bilder. Sozusagen als optisches Futter für mögliches Deutungspotenzial.
Mal sehen was da rauskommt, was sich da denkend erspielen lasst.

...hier nun das Ergebnis sonntäglicher, muttertäglicher Mußestunden.



Ein-Führung:

drei aktuelle Postionen des Künstlers  Th. We. Zett


Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kunstfreunde..
Was ich Ihnen heute präsentieren darf ist etwas einmaliges. Es handelt sich um eine Trilogie des Künstlers Th. We Zett. Er ist ein international unbekannter Meister, (die Welt ist sein Atelier) der sich ständig auf Reisen befindet und in zahlreichen großen Ausstellungen, wie etwa in der Documenta 8 und der Bienale Venedig 2009, mit großformatigen, unsichtbaren und ergreifenden Werken vertreten war. Niemand hat sie gesehen, doch alle waren davon ergriffen.

Nun ist es uns, nach langen und schwierigen Wegen und Verhandlungen, und viel Glück!!! gelungen, drei Werke dieses scheuen Künstlers für unsere Präsentation als Originale zu bekommen. Sie, verehrte Anwesende, dürfen sich glücklich schätzen, die ersten zu sein, die sie zu sehen bekommen.

In diesen aktuellen Werken hat er drei hochspezielle Aspekte aus der Alltagswelt visualisiert, mit der er die Kluft zwischen Klassik und Pop, zwischen Exklusivem und Alltäglichem mit unwiderstehlicher Eleganz überbrückt.
Man ist ergriffen vor seinen Werken - ich kann Ihnen meine persönliche Begeisterung nicht vorenthalten - wie vor einem Leonardo. Freilich in ganz anderer, eben medialer und zeitgenössischer Form, die sich nicht so rasch erschließt und sich, selbstschützend, vor dem Banausenblick verbirgt.

Ich darf Sie nun, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer mit bescheidenen, ja kläglichen Worten, zu diesen Werken hinführen, und ich bin mir schmerzlich bewusst, wie wenig selbst die kühnsten Gedanken von der sprachüberschreitenden Dimension dieser Kunst zu erfassen vermögen.
Niemals, das sei vorausgeschickt, kann das Wort die Botschaft des Werkes ersetzen, denn sonst hätte der Künstler ja geschrieben.


Das erste Werk

ready made 

"MARKE"

In diesem Alltagsgegenstand sind Botschaften verschlüsselt, die uns der Künstler durch seine exklusive Präsentation bewusst macht. Der phallische Grundcharakter dieses Werkzeugs, der sofort die Assoziation von: Markieren, (denken sie aber bitte nicht an das was Hunde machen wenn sie Reviere markieren - das gehört nicht hierher), von: Marke und damit von: Merken weckt, vermittelt eine Potenz des schöpferisch-männlichen Prinzips, das sich durch den Name "BOSS" noch einmal steigert.
Während "STABILO" als FirmenMarke zugleich mütterliche Sicherheit und Haltbarkeit suggeriert.
"ORIGINAL", der dritte, schwarz auf orange gedruckter Begriff nun, sichert dem Produkt seine Individualität, und überträgt auf den Nutzer das Gefühl, hier etwas Hochwertiges in der Hand zu haben. Doch diese, mehr werbepsychologischen Hintergründe, sind noch nicht die Essenz des Kunstwerks selbst. Die Analyse ist lediglich ein vorbereitender Schritt, um ins Zentrum der transluzenten Alchemie des orangenen Behälters zu gelangen.

Denn was kann mit der leuchtenden Flüssigkeit nicht alles markiert werden?
Listen von Arbeitslosen, Preise von Kunstwerken, Namen von Terroristen, von Feinden aller Art? Oder von Freunden, die man auf eine Party einladen möchte?

Ihnen, liebe Gäste, ist es überlassen hier weiterzudenken, weiter zu spielen, Ihrer unbegrenzten Fantasie Raum zu geben. Nutzen sie die Begegnung mit diesem Werk, um ihre eigene schöpferische Fähigkeit zu entfalten.

Es soll, das darf ich noch einmal anmerken, mit diesen Worten nicht die Aussage des Kunstwerks verstellt werden. Nein! wir wollen Sie nur hinführen. Sie selber sind eingeladen interaktiv zu werden, denn ohne Sie, den Betrachter, die Betrachterin, ist jedes Werk unvollständig. Sie sind es der es "fertig" macht.


Kommen wir zum nächsten....bitte kommen sie....


Das zweite Werk

Installation

"EVOLUTION"

...Zu sehen sind zwei benutzte gepflegte Herrenschuhe ... ja Sie sehen recht ... und zwar mit hochwertigen Schuhspannern, die auf einer Eichentreppe im Paar nebeneinander stehen.

Der Künstler hat die Schuhe - bitte beachten Sie das, es wird leicht übersehen - nicht versetzt.
Er hat also nicht einen Schuh unten und den andern auf die nächste Treppe gestellt, was einen Schritt und damit Fortschritt suggerieren würde, sondern er hat wohl den Stillstand, die Stagnation auf
einer gepflegten Ebene im Auge gehabt. Oder auch die Harmonie eines Paares?
Kein Kunstwerk ist eindeutig! Es schenkt uns, ja fordert von uns, es mit unserer Deutung zu füllen, ohne dass wir es je erschöpfen könnten. Es bleibt Rätsel, und das ist die Größe aller großen und deshalb auch teuren Kunst. Doch das nur am Rande.

Th. We Zett, bringt hier den Titel "Evolution" in ein filigranes Spannungsverhältnis zur visuellen Botschaft. Zugleich wird deutlich, dass der Träger abwesend ist. Wo ist er? Ist er barfuß unterwegs, hat er andere Schuhe an? Wo ist das Weibliche?

Mit dieser eindeutigen Positionierung der männlichen Schuhe ruft der Künstler das Weibliche, den weiblichen Fuß und Schuh, mit all seinen zahllosen Variationen eben durch deren Abwesenheit zwingend ins Gedächtnis. Was will er uns damit sagen? Hier schweige ich lieber!

Faszinierend auch, dass es eine Eichentreppe ist, und dass die Schuhe nicht in der Mitte, sondern etwas nach rechts versetzt platziert sind....
...weiter...
Wenn ich Sie nun im Anschluss bitten darf das letzte der drei Werke noch in Augenschein zu nehmen...Sie werden sicher später noch zu den beiden eben gewürdigten Arbeiten zurückgehen um ihren eignen Bezug, ihr eigenes Spannungs- und Deutungsfeld aufzubauen.



das dritte Werk

Natural Objekt

"SCHWELLE"


In einem direkten Kontext zum Werk "Evolution" steht das "natrual objekt", eine anscheinend profane Fußmatte, in deren Strukturen Sie mäandernde Bewegungen erkennen können, die allerdings schon an manchen Stellen aufgebrochen und aufgelöst sind.

Dieses subtile Bild unbewusster Bewegungskräfte korrespondiert mit dem zweiten Werk "Evolution"
durch die unmittelbare Bezugsaufnahme der Schuhe, und weist auf das Thema der Abnutzung, der Entropie, der Vergänglichkeit hin und zugleich auf den Akt der Reinigung der seinerseits selbst zur Abnutzung führt.

Die Schwelle ist ein Kult.
Eine Matte auf einer Schwelle ist ein Schwellenelement.
Tritt. Treten. Auftreten. Abtreten. Eintreten. Austreten.
All das symbolisiert dieses so alltäglich anmutende Objekt. Es manifestiert jenen magischen Ort, in dem sich Draußen und Drinnen verbinden, worin zwei getrennte und gegensätzliche Räume ineinander übergehen. Eine Schwelle ist ein Brückenort.

Schauen wir auf die Struktur: die äußeren Energien mäandern von außen nach innen und umgekehrt, und sie lösen sich in freien chaotischen Faserbewegungen wieder auf.
Hier wird auch die Zeit thematisiert. Und wir fragen uns bang: Wer stand schon auf der Schwelle und wann? Wer wird noch darauf stehen, sie achtlos überschreiten, oder seine Schuhe respektvoll abtreten; um seinen unbewussten, an der untersten Stelle des Körpers haftenden Dreck, nicht ist Haus zu tragen. Und überschreiten wird nicht Schwellen? Ständig? Vielleicht auch ich mit diesen Worten? Treten wir nicht gemeinsam, über die Schwelle der Worte jetzt in das Geheimnis dieses Werkes ein, in sein innerestes Haus, um nicht zu sagen: seinen Tempel?

Der Künstler zeigt hier entschieden und bewusst den Zustand zwischen Form und Auflösung.
Möglicherweise bezieht er sich damit - er selbst schweigt beharrlich zu seinem Werk - auf die aktuelle Weltsituation. Etwa: die Natur in mäandernder, vom Menschen geordneten Form, die durch den Fortschritt und die Benutzung ("Schuhe") sich wieder in ihren ursprünglichen chaotischen Zustand zurückverwandelt?

Und vielleicht bezieht er ja in seinem dreiteiligen Werk den Marker in eine fulminante, von ihm verschwiegene, und für uns noch zu ergründende Aussage mit ein?

Doch dies ist eben Ihnen, den Betrachtern, freigegeben.

Sehr verehrte Anwesende, Sie erlebten es selbst: die Werke sprechen für sich! Es ist nicht einmal nötig sie in üblicher akademischer Manier kunstgeschichtlich zu verorten und mit berühmten Namen zu stabilisieren. Mit vehementer Sicherheit tritt uns hier ein epochales Oeuvre entgegen, das jeden Bezug und Vergleich außer Kraft setzt, und das uns zur Freiheit zwingt, in völlig neuen Kategorien zu denken.

Glücklicherweise sind wir inzwischen frei von engen Kunstbergriffen, wo noch handwerkliche Fähigkeit und Können den Geist beengten und in Grenzen bannten.

Dies hier ist ein offenes Werk, nichts wird vorgeschrieben, oder vorweggenommen. Der Künstler gibt uns allen Spielraum, weil er ein Rätsel schafft.

Wir sind außerordendlich stolz, ja glücklich diese Werke von Th. We Zett bei uns zu haben.


... Ich danke Ihnen sehr!


.....übrigens: alle Werke sind käuflich.

Freitag, 7. Mai 2010

Die KunstWelt und der ApfelZweig

Werkgruppe  NaturIkonen     6.5.2010    30x30 cm  Aquarell und Öl auf Leinwand

Die KunstWelt und der ApfelZweig

... Gestern hat es den ganzen Tag geregnet. Dabei ist es sehr kalt.

Momentan arbeite ich, nach der gelungenen Ausstellung in Eggenfelden, wieder intensiv an den NaturIkonen.

Die Kunstwelt
... Das lesenswerte Buch über den Kunstbetrieb:
"Sieben Tage in der Kunstwelt" von Sarah Thornton,
hat mir deutlich gezeigt, dass ich in dieser Konsum-Kunst-Glitzer-Mode-Welt nichts verloren habe, und deshalb dort auch nichts finden werde.
Das schließt interessierte Besuche nicht aus. Doch bin ich fast darüber hinaus, mich über diesen euphorisierten-hysterischen Betrieb noch aufzuregen.
Deutlicher kann sich eine Epoche selbst nicht dar- und bloßstellen.

Doch es ist nicht meine Welt und sie lockt mich nicht.

... Ich möchte weder Geschichte schreiben noch in eine solche eingehen, noch auf irgendeiner rancing Liste hochklettern und Erfolge feiern.

Ich sehe mein Ziel nicht darin auf Titelseiten erscheinen zu sollen, oder meine KunstPerson im Gedächtnis der Welt verankern zu müssen.
Noch möchte ich Zweiter, Dritter oder Letzter sein.
Ich möchte mich weder selber platzieren, noch platzieren lassen.
Denn da gibt es nur den kurzen Blick nach Oben und Unten. Nicht in die Weite. Nicht auf das Ganze.

... Die Kunstwelt mit ihrem "alles ist möglich" erzeugt zugleich eine kuriose Mischung an frischen Tabus, die in elitären Zirkeln, codiert mit Markensymbolen und Modeattributen, gepflegt werden. Ebenfalls zugleich wird ein wirksamer Skandal dort als mediale Großleistung gefeiert und bestens bezahlt.
(Paradoxerweise produzieren demokratische Systeme fast notorisch Hierarchien.
Als müssten die formale Gleichheit vor dem Gesetz, (und vor Gott), doch mit einer klaren evolutionären Hackordnung kompatibel sein - survival of the fittest - 
Der Fitteste, der Überleber, der Alpha-Mensch, der die andern dominiert, ist in den westlichen Ländern selbstverständlich ein Demokrat.)

Es geht im KunstBetrieb zu viel um Kaufen und Verkaufen (dieses merkwürdige Talent der "Worholianer"), und zu wenig um Denken, Gestalten und Bilden. Es wird ohnehin zu viel ver-Äußert, und zu wenig er-Innert. Nun auch in der Kunst.

... Das Überholen und Überbieten ersetzt das Ziel, oder genügt als solches.

...Mir allerdings nicht...

...einmalig und einzigartig sein, verbunden mit vielen Einzigartigen und Einmaligen, (und jeder Mensch ist das hinter all seinen Fremdidentitäten) das gefällt mir.

Das KunstKloster ist ein guter Ort das zu erschließen. 
Der innere Mensch ist keine Metapher über die sich diskutieren lässt. Er kann hier sein, atmen und wirken.


Das innere Universum
... Jeder Mensch hat ein Universum unter der Schädeldecke. Jeder! Also auch ich.
Ein inneres Universum, das mit dem äußeren, über die Sinne, in schöpferischer Wechselwirkung steht.
Das mache ich mir klar, schaue hin, gehe rein.
Ja, da hab ich was verloren, da findet sich alles.

... Sich selber erleben, seine Authentizität herstellen durch Geistesgegenwart und emotionale Achtsamkeit.
Unaufgeregt.
Nichts zu gewinnen, nichts zu verlieren. Angstfreies Dasein ist das "Produkt". DaSein ist alles.

... Dem Regen lauschen, dem Herzschlag, den Vögeln, dem Schnurren der Katze... 

... die Gedanken beobachten, wie sie entstehen, was für Gefühle sie erzeugen, und was die Gefühle für Gedanken kreieren...kommen und gehen lassen...

...in die Hand nehmen...behandeln...wahrnehmen...schreiben und malen... zum Beispiel den blühenden Apfelzweig.

...Aus einem starren verwinkelten dunklen und harten Holz-AstWinkel sprudelt ein grüner BlätterTanz.

Sieben weiß-rote Blüten krönen duftend dieses optische Lied.

Ein Wunder! schau her! Unglaublich!

Ach so: nur eine Apfelblüte...naja...

...ja dann... gibt's einen neuen Horrorfilm heute Abend im Fernsehen?

NaturIkonenAbereibstplatz      6.5.2010    30x30 cm       Aquarell und Öl auf Leinwand