Donnerstag, 12. September 2013

Sri Aurobindo und Rosenkreuz Symposium


„Mikrokosmos“, 150 x 150 cm, Farbstift auf grundierter Leinwand, 1989

Am Sonntag, den 22. September, findet im Uniclub Bonn in Zusammenarbeit mit der Stiftung Rosenkreuz zur Förderung hermetischen und gnostischen Gedankenguts ein gemeinsames Symposium unter dem Titel "Die Evolution des Göttlichen – Aufbruch ins Unerwartete. Sri Aurobindo und Rosenkreuz im Dialog" statt.

Es wird eine Broschüre geben mit den Vorträgen von Georg Stollenwerk (Sri Aurobindo)  und Andreas Packhäuser (Rosenkreuz), mit 10 Reproduktionen mit Bilder aus den 90 Jahren und einem Geleitwort, das ich hier zur Information und Anregung bei Interesse, in den Blog stelle.


„Impuls“, 80 x 150 cm, Farbstift auf grundierter Leinwand, 1989




Zum Geleit



Der Brunnen


Wenn wir an einem Sonnen-Tag auf die Wasseroberfläche eines plätschernden Brunnens blicken, sehen wir das EINE Licht sich in tausendfachen Brechungen spiegeln. Licht, Materie und Bewegung erzeugen zusammen ein verwirrend heiter glitzerndes Spiel. Die blendenden Reflexe erscheinen wie Chiffren einer unbekannten Schrift. Angeregt verweilt der Blick. Vielleicht in der Hoffnung, dass sich ihm etwas vom Sinn dieser rätselhaft lebendigen Licht-Zeichen entschlüsselt. Wenn sich die Augen von diesem bezaubernden Spiel weg nach oben wenden, sind sie überwältigt von dem vibrierenden strahlenden Lichtkörper, der machtvollen Majestät der EINEN Sonne.

Sprache und Form

Wir leben in einer Welt, in der sich aus Licht, Bewegung und Materie eine Vielfalt von Formen manifestiert hat. Formen, die genau wissen, dass sich das EINE Licht in ihnen ausdrückt. Zu Recht. Doch jede Welle erzeugt eine unterschiedliche Figur, die ebenfalls ganz aus dem EINEN Licht erklärbar ist, auch wenn sie im Vergleich zu andern widersprüchlich erscheint.
Was in dem Brunnenbeispiel als ein sinnbildliches Augenblicksgeschehen aufscheint, das ist in der Evolution von Raum und Zeit ein gewaltiges Wogen und Werden, Suchen und Finden, Verwerfen und Konstruieren, Trennen und Zusammenfügen. Also ein Kampf der Formen untereinander um den richtigen, gültigen Ausdruck. 
Sprachen, Traditionen und Kulturen existieren in eigenen Kontexten. Dieselben Begriffe sind mit unterschiedlichen Bedeutungen besetzt. Die einen wollen zum Beispiel das Ich überwinden, die andern bemühen sich, es zu kultivieren, die dritten behaupten, dass es dieses Ich sowieso nicht gibt. Und jeder hat auf seine Weise recht. Aber dann, wenn daraus der Schluss gezogen wird, die andern müssten, da ja die jeweils eigene Interpretation sich unmittelbar aus dem EINEN Licht ableitet, dann logischerweise im Irrtum sein, gedeihen und etablieren sich die bekannten Missverständnisse. 
Alle Schulen und spirituellen Gemeinschaften achten und pflegen ihre Formen mit denen sie anrufen, anbeten und sich verständigen. Sie sind beheimatet in den jeweiligen Sprachen und Deutungen, identifizieren sich damit und tun gut daran.
Doch sie neigen auch dazu, sie zu dogmatisieren und an ihnen hängen zu bleiben, statt durch sie weiterzugehen. Dann ist es hilfreich, das scheinbar Vertraute auf neue Weise zu beleben. Dabei können sich verschiedene Sichtweisen ergänzen.
Sprachen und Formen, die auf Erkenntnis zielen, schaffen zunächst freie Bedeutungsräume, die es einer höheren Intelligenz ermöglichen, die Führung zu übernehmen. Diese greift dann in die vorbereitete Anordnung gestaltend ein und spielt auf den begrenzt vorhandenen Bild- und Begriffsinstrumenten in überraschender und inspirierter Weise, sodass aus ihnen neuer Sinn und frische Kraft erklingt. Alle, die so inspiriert wurden und werden, etwa Jakob Böhme, Jan van Rijckenborgh und Sri Aurobindo, eröffnen und manifestieren damit reale Zugänge. Sie bauen Leitern zur göttlichen Ebene, zu der das lernende menschliche Bewusstsein hinauf- und die göttliche Inspiration herabsteigen kann. Im Nachvollzug dieser inspirierten Werke führt nicht nur die Analyse der einzelnen Töne zum Verstehen, sondern zunächst ein vorurteilsfreies waches Hinhören auf die Musik, die durch sie erklingt. 


  1. „Du im Ich“, 100 x 150 cm, Mischtechnik auf grundierter Leinwand, 1986

Dialog

Die Stiftung Rosenkreuz hat für dieses Hinhören durch die öffentliche Begegnung von unterschiedlichen Geistesrichtungen ein Forum geschaffen, das den Dialog und damit das Verständnis zwischen verschiedenen Sprach- und Ausdrucksformen fördert. Wohl auch mit dem Ziel, nach dem Streit der Formen untereinander den wunderbaren Reichtum göttlicher Offenbarung als vielfältigen Ausdruck des „EINEN OHNE FORM“ erahnen zu lassen.
In dem Symposion, dessen Vorträge hier abgedruckt sind, begegnen sich Sri Aurobindo und die Geistesschule des Rosenkreuzes durch die Referenten Georg Stollenwerk und Andreas Packhäuser.


„Transformation“, 80 x 80 cm, Mischtechnik auf grundierter Leinwand, 1989


Evolution 

Der Titel Aufbruch ins Unerwartete - Die Evolution des Göttlichen enthält den Schlüssel für eine konkrete Vision, die zu verwirklichen manche bereit sind, die die meisten aber noch für irreal halten oder kaum kennen. Der darwinistische Evolutionsbegriff, wie er üblicherweise gebraucht wird, geht von einer rein materiellen Evolution „von unten“ aus. Danach ist der Mensch eine Art Überaffe. Die Vorstellung, dass eine göttliche Involution „von oben“ vorausgegangen sein muss und wir, ja die ganze Schöpfung, Ausdruck eines gewaltigen göttlichen Geschehens sein könnten, hat die Schulbücher noch nicht erreicht. Dennoch spüren die Herzen vieler die höhere Dimension in sich, die auf Entfaltung wartet. Doch das ist kein automatischer Prozess. Er kann weder delegiert noch käuflich erworben werden. Auch gibt es kein spirituelles Beamtentum mit garantierter Höherentwicklung durch die Jahre. Es wird die ureigenste intelligente Einsicht und das immer wieder erneuerte, tiefe, hingebungsvolle Bejahen und Einverständnis der ganzen Persönlichkeit, mit allem was dazugehört, als Basis und Reisegepäck für den „Aufbruch ins Unerwartete“ notwendig sein.

Andreas Packhäuser und Georg Stollenwerk zeigen diese teilweise dramatischen und zugleich wunderbaren Zusammenhänge differenziert und anschaulich auf.



„Neues Denken“, 80 x 150 cm, Farbstift auf Papier, 1986



Begegnung


Der Mitbegründer der Geistesschule des Goldenen Rosenkreuzes, Jan van Rijckenborgh, und Sri Aurobindo begegnen sich, nach meinem Verständnis, bereits in ihren jeweils umfassenden Schriften. Überraschend verwandt erscheint mir das Ziel, das in beiden Werken zentral formuliert wird, nämlich durch Transfiguration den gnostischen Menschen zu verwirklichen. Etwa bei Jan van Rijckenborgh in: Der kommende Neue Mensch, und bei Sri Aurobindo in: Das Göttliche Leben. Eine weitere Parallele sehe ich in Sri Aurobindos großem Poem Savitri und der Chymischen Hochzeit des Christian Rosenkreuz. Interessant ist auch, dass Jan van Rijckenborgh (1896-1968) und Sri Aurobindo (1872-1950) in ähnlichen Zeiträumen wirkten. Zudem hatten beide detaillierte Kenntnis von der jeweils anderen Kultur. Sri Aurobindo hatte das europäische Denken und Wissen als Schüler und Student in London und Cambridge in sich aufgenommen und in einem großartigen Zusammenhang mit der indischen spirituellen Literatur formuliert und verbunden.
Der universell ausgerichtete Jan van Rijckenborgh, der in der Geistesschule auch die alten hermetischen Quellen neu fasste, war andererseits bestens vertraut mit den östlich orientierten Lehren von Helena Blavatsky (1831-1891), der Begründerin der Theosophie, die einen großen Einfluss auf westliche Künstler, Forscher und Philosophen ausübte. 
Dass sich Adyar, der Ort in Indien, an dem die theosophische Bewegung ihren Hauptsitz hatte, in Chennai (Madras) befindet, unweit von Pondicherry, wo Sri Aurobindo lebte und wirkte und wo seit 1968 die internationale Stadt Auroville entsteht, deren ausdrückliches Ziel es ist, der „Evolution des Göttlichen - dem Aufbruch ins Unerwartete“, einen Ort zu schaffen, mag ein Zufall sein, doch wenn, dann ein sprechender. 
Das Zusammentreffen dieser beiden essenziellen, heute weltweit wirksamen Geistesrichtungen in diesem Symposion ist auch ein Impuls, die östliche und westliche Spiritualität neu zu justieren und willkommen zu heißen - in die sich, aus ihrer Entwicklung und den möglicherweise notwendigen Abspaltungen heraus, noch manche rivalisierende Muster und überholte Vorurteile einnisten können. 
Offen zu sein, ohne sich verunsichern zu lassen, das ist wohl ohnehin eine notwendige Leistung, die wir heute zu üben haben. Auf der lichtesten und innigsten Ebene begegnen sich dabei auch CHRISTUS und KRISHNA. Sie sind gewiss nachsichtig und nicht ohne Humor, wenn wir sie in unsere Ranglisten einzuordnen suchen. 


  1. „Feuer Zeichen“, 80 x 60 cm, Farbstift auf grundierter Leinwand, 1986



Herausforderung

Das immer dichtere Ineinanderwirken von Kulturen, Religionen und unterschiedlichen Sprachformen durch die neuen technischen Kommunikationsmedien ist eine Herausforderung an uns, der wir uns stellen müssen. Kein Lehrer aus früherer Zeit nimmt uns das ab. Und das ist gut so. Wir können beispielsweise versuchen, aus den zahlreichen unterschiedlichen Aspekten eine fröhliche, unverbindliche Patchwork-Spiritualität zu basteln, ein variables interaktives Puzzle, je nach Notwendigkeit modellierbar. Wir können auch lernen, elegant auf allen spirituellen Wellen zu surfen. Wir können uns aber auch die weitergehende Aufgabe stellen, auf der Basis einer stabil verwurzelten geistigen Ausrichtung, durch die verschiedenen Sprach-Formen und Manifestationen hindurch, in das EINE pulsierende kosmische Herz einzutauchen, uns davon noch tiefer durchdringen zu lassen, um neu motiviert und wirklich begeistert die Entwicklung zum gnostischen Menschen zu wagen. 
Dann betreten wir möglicherweise einen prachtvollen, ringförmig angelegten Garten, der um das EINE herum angeordnet ist und der sich durch verschiedenartige Tore zur Mitte hin öffnet. Diese Mitte erscheint, von dem vielgestaltigen, harmonisch sich ergänzenden Gartenring aus, als wirksamer leerer Raum, als „sprudelnde Leere“, die selber keine stoffliche Manifestation besitzt oder zu besitzen scheint - und doch zugleich alle Formen hervorbringt, belebt und beseelt. 

So wünsche ich diesen Texten, dass sie offene Herzen erreichen und ein waches, differenziertes Verstehen hervorrufen. Mögen viele das EINE Licht durch die unterschiedlichen Begriffe hindurch erkennen, davon berührt und inspiriert werden. Wie von Lichtzeichen auf der Wasseroberfläche eines bewegten Brunnens an einem Sonnen-Tag. 

A.B. KUNSTKLOSTER art research



  1. „Die Leichtkraft der Dinge“, 200 x 300 cm, Kreide auf grundierter Leinwand, 1989

http://stiftung-rosenkreuz.org/veranstaltungen/alle/