Montag, 14. Februar 2011

Hand und Herz

Foto: Uli Sach


Alfred Bast KunstKloster art research Seminar im Hohenwart Forum 11.-13. Februar 2011




Mit Herz und Hand ☚


✍ Die Hand


Beginn: Hand-Druck. Hände-Druck. Ein herzlicher Händedruck.

Dieser erste, auch bildnerische Kontakt, in diesem Seminar, mit Farbe und Papier ist etwas das an Kindergarten erinnert. Und warum auch nicht. Hand- und Fussabdrücke werden von Babys und Kindern in Salzteig und Gips gemacht, um deren Wachstum zu veranschaulichen. Doch so luftig und leicht dies erscheint und sein soll, es hat doch auch tiefere Ebenen. Es erinnert nämlich an den Kindergarten der Menschheit. Denn die ersten Hand-Spuren von Menschen sind in den Höhlenmalereien zu entdecken: 22000 Jahre sei das her, wird gesagt. Sie signierten gleichsam damit und sagten: „schaut ich war hier“ (Margarete Bruns, die Weisheit des Auges, S. 37).

In jedem Handabdruck ist die unverwechselbare Identität des Menschen enthalten. Seine Signatur des unverwechselbaren genetischen Codes. Es ist unglaublich, dass es bei all den Milliarden Menschen nicht zwei identische Fingerabdrücke gibt. Nicht einmal eineiige Zwillinge. So unterschreibt der Mensch seine Einmaligkeit nicht nur mit der Hand durch seine Unterschrift, sondern durch die Linien-Zeichnung die in seiner Hand selbst rätselhaft eingeschrieben ist.

Dass dies nun kein Kindergartenspiel ist, das zeigt die Kriminologie, die seit etwa 1930 den Fingerabdruck zur eindeutigen Identifizierung einsetzt, oder jene elektronischen Zugangssperren im high tec Bereich, die nur mit einem digitalen Fingerabdruck geöffnet werden können.

Es zeichnen sich individuelle Spuren in jede Menschen-Hand. Sie schreiben sich schon in die Hand, bevor diese zu schreiben vermag.


Wenn wir unsere Hände auf das Blatt drücken und damit drucken, haben wir also die Einmaligkeit der eigenen Existenz sichtbar gemacht. Das liegt in diesem kinderleichten Spiel verborgen. Zugleich liegt in dieser einmaligen Identität auch die Zweiheit greifbar vor uns, durch die beiden Hände. Durch links und rechts. In manchen Kulturen wird und wurde das Handpaar bereits zum ersten Symbol von gut und schlecht. Rechts = gut und links = schlecht. Rechts das Recht, das Richtige und Rechte, links das Falsche und Lügnerische und Schmutzige. Das hatte für Linkshänder in früheren Zeiten fatale Folgen.

Immerhin wird damit ausgedrückt, dass der Mensch selber ein Wesen mit Licht und Dunkel ist.

Es gibt bei dieser Dualität auch zwei Möglichkeiten zu handeln. Die eine ist das Rechthaben, wobei ein Teil über den andern zu dominieren sucht, die andere ist der kreative Umgang damit, bei denen beide Qualitäten des Menschen, die sich auch in den zwei Gehirnhälften manifestieren, miteinander ein Ganzes schaffen, wie das am sinnfälligsten bei einem inspirierten Klavierspieler zu sehen und zu hören ist.

Beide Hände schaffen gemeinsam gleichzeitig ein Drittes das keine Hand allein

oder nacheinander leisten könnte. Die Hände sind eine Gemeinschaft. Und jede Hand, mit ihren jeweils 5 Fingern differenziert diese Gemeinschaft um das 10fache. Zwei mal Fünf. In jeder Hand ist die Fünfzahl, die Zahl des Pentagramms und des goldenen Schnittes zu finden. 27 Knochen sind in der Hand zu finden, etwa die Hälfte aller Knochen des Körpers.

Diese weisen Proportionen des Goldenen Schnittes auf. Darüber können wir gerne noch ausführlicher sprechen.


Die Hände, als: „Greifwerkzeuge an den menschlichen Extremitäten“ werden sie in roboterhafter Maschinensprache bezeichnet, sind in der Lage eine Mitte zu bilden, die das ausdrückt was die Mitte des Körpers ist. Das Herz.




♥ Das Herz


Nicht als Greifwerkzeug der Extremitäten, sondern viel komplexer interpretierte Kant die Hand: nämlich: „Als das nach Außen gestülpte Gehirn“. Dies stimmt auch mit den Bereichen zusammen die die Hände im Gehirn einnehmen. Es gibt ein Bild von einem Menschen dessen Glieder proportional so gestaltet wurden, wie diese im Gehirn wirksam sind. So kommt ein Homunkulus heraus, mit riesigen Händen und Lippen. Ein Glück dass wir außen nicht so aussehen. Doch vielleicht sind deshalb die vielen grotesken Comikmonsterchen so erfolgreich, weil sie etwas von diesen inneren Proportionsverhältnissen sichtbar machen?

Die Hände schaffen zusammen etwas Drittes, eine Synthese, eine Mitte in der die beiden Extreme sich nicht befeinden und bekämpfen, sondern in denen sie sich ergänzen. Sie halten zusammen, schaffen ein Gefäß, werden zur Architektur, bilden einen Raum und halten das Herz. Halten das Herz in den Händen. Da gibt es heilende Hände, und Segen spendenden Hände, und die Mutterhände, und die grünen Hände....

In all diesen Bezeichnungen pulsiert das Herz.


Das Herz wurde zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich interpretiert. Ähnlich wie unsere Hände, die Frank Wilson treffend als „einen Geniestreich der Evolution“ bezeichnete, (Frank.R.Wilson, Die Hand - Geniestreich der Evolution, Klett Cotta 2000), sich zu bloßen Greifwerkzeugen reduzierten, die mechanisch ausführen was das „BOSS-Gehirn“ vorschreibt, so ist das Herz von seiner poetischen Göttergröße ebenfalls zum Pumpautomaten reduziert worden. Wir sind entmystifiziert und bewundern zurecht die grandiosen Leistungen der Herzchirurgie, die diese lebenswichtige „Pumpe“ auszutauschen in der Lage ist.Dennoch bleibt dem Herzen etwas, das nicht in der rationalen Sichtweise aufgeht.

Einstmals wurde es als Wohnstätte der Götter im Menschen angesehen, wie im alten Ägypten, die ihn durch seine Lebensreise begleiten und ihm mit Lebenskraft versorgten.Es wurde auch als Wahrnehmungsorgan verstanden, gewissermaßen als eigenes Gehirn von dem aus Impulse und Steuerungen kommen. Im Kleinen Prinz von Saint Exupery ist der berühmte Satz zu lesen: „Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für Augen unsichtbar“. Wir spüren auch wie es ist, wenn jemand beherzt handelt. Er handelt rasch, spontan und richtig. Er wägt nicht rational das Für und Wider ab, sondern handelt. Der Impuls kommt aus dem Herzen, aus der Lebensmitte, dem Lebensganzen. Das Herz lies und lässt sich glücklicherweise nicht auf eine mechanistische Begrifflichkeit einschränken. Fröhlich pulsiert es in unzähligen Kitschvarianten, kristallin oder blätterteigig, neonfarben oder golden, als Brillantcollies oder als Praline und regt so den Kreislauf der süßen Kommunikation an.

Doch dieses Organ ist zugleich jenes das als Volkskrankheit einen alarmierenden ersten Platz einnimmt. Und damit verweist das „Organ der Mitte“ ebenfalls, wie die linke und rechte Hand auf eine Spaltung, eine aus der Balance geratene Rhythmik, zwischen der sich ein Abgrund eröffnet. Jener zwischen Kitsch und Infarkt. Wie lässt sich das behandeln? Dieser Abgrund kann zwar ironisch überbrückt werden, doch dort wo aus der Gespaltenheit, der Ver-Zwei-flung eine ergänzende Polarität gelingt, wandelt sich der Abgrund in einen Goldgrund, aus dem Wärme, Gewissheit und Stabilität alle Teile des Menschen durchpulsen und geistig-seelisch durchbluten. Diese tod-ernste Arbeit, die Mitte zu bilden, kann nur mit Heiterkeit, Liebe und Humor gelingen - Hand aufs Herz!

Diese Mitte ist tatsächlich etwas Seltenes. Sie ist so schwierig herzustellen wie ein gutes Essen, ein gutes Bild, ein gutes Gespräch. Sie ist nicht einfach platt vorhanden, sondern will erobert, erträumt, ersehnt werden. Dennoch ist sie letztlich nicht machbar. Sie reift und gelingt, oder auch nicht. Doch ohne das eigne Streben wird es gewiss nichts werden, da bleiben die Hände im Schoß, oder sind bloß Fäuste, und das Herz bleibt eine austauschbare Pumpenmaschine. Doch es ist möglich, die Geister in Hand und Herz zu wecken, denn die Voraussetzungen sind unter fast allen Umständen durchaus günstig, wenn man/frau sich klar macht dass dieser „Geniestreich der Evolution“ auch geniale Fähigkeiten birgt, die allerdings geübt werden wollen. Fähigkeiten wollen erworben sein, und Begabungen weiterentwickelt werden.

Die Mitte gilt üblicherweise entweder als schal und „mittelmäßig“, oder sie ist nur die Zone zwischen zwei Fronten. Wir suchen und bilden im KunstKloster die „goldene Mitte“, dort wo ein Mensch „in seiner Mitte“ ist, wo sein Herz ist, das wie eine Sonne strahlt und alle „Extremitäten“ versorgt.


In welcher Weise wir das Herz behandeln und wie sich das äußern kann, das werden wir in den nächsten Tage sehen.




☛ zum KunstKloster und dem Charakter der Seminare


Dies ist das vierte Seminar im Hohenwart-Forum. An dieser Wiederholung wird deutlich dass der Ort und das KunstKloster gut zusammenstimmen.


Was ist das KunstKloster?

Es ist primär eine Idee, die sich temporär, wie jetzt in diesem Seminar konkretisiert. Es ist kein Ort mit einem Kloster in dem Kunst gemacht wird. Vielleicht wird das einmal sein. Doch seit der Gründung 1995/96 ist es ein Arbeitsbegriff, in dem zwei Qualitäten miteinander verbunden sind, die, nach meiner Einschätzung, sich ergänzen und trotzt ihrer großen Verschiedenheit im Kern zusammengehören.

Kunst verstehe ich dabei als offenes Feld, in dem durch Spiel und schöpferisches Experiment neue Wege und Einsichten gelingen oder alte neu belebt werden.

Kloster steht für Kontemplation, Konzentration, Innere Ausrichtung, Innenwahrnehmung, Spiritualität und Gebet.


In allen KunstKloster-Seminaren steht die Wahrnehmung und das Sehen im Zentrum der Aufmerksamkeit. Ein Sehen und Wahrnehmen, das zugleich nach Innen und Außen gerichtet ist. So dass beim Schreiben und Zeichnen Herz und Hand und Verstand ein stabiles dynamisches Dreieck bilden. Wir können gemeinsam eine günstige und förderliche Atmosphäre schaffen, und dadurch Ideen und Impulse zulassen und äußern, die eine Spur eröffnen zu jener Quelle die offenbar in jedem Menschen sprudelt, als dessen einmaliger genetischer Code, der sich in den labyrinthischen Linien des Fingers zeigt.

Doch sind die Seminare nicht unter der Rubrik: „Selbstfindung“ einzuordnen, eher Selbst-Erfindung, denn es geht da um etwas das potenziell das ist, als Rohstoff gewissermaßen der zu bearbeiten ist. Nicht um etwas das man verloren hat und wieder finden will, wie einen Hausschlüssel. Um im Bild zu bleiben: wir müssen diesen Schlüssel herzustellen lernen und haben dafür alle Möglichkeiten in der Hand, den Kompass im Herzen und die Planungsintelligenz im Kopf.

Das ist wird ein konzentrierter, kontemplativer Vorgang sein, eine - paradox gesagt - musische Anstrengung.

Deshalb hat auch die Stille ihren festen Platz. Doch kein verdrücktes Verstummen ist gemeint, „husten und atmen sind erlaubt“.


Jede TeilnehmerIn, jeder Teilnehmer beginnt dort wo er oder sie sich befindet. Das ist gar nicht anders möglich. Nur von hier aus kann sich etwas entwickeln. Es geht nie darum besser oder schlechter als ein anderer zu sein. Der Maßstab ist so individuell wie der Fingerabdruck und er liegt ganz in der eignen Hand und im Herzen.


Dass Stocken und Weiterkommen hat viel mit der Deutung und Sichtweise zu tun wie wir bewerten, denn das Bewerten wirkt unmittelbar auf unsere Wahrnehmung prägend zurück.

Wenn die Wahrnehmung zur Kunst wird, können diese Vorgänge gelenkt werden. Vielleicht so wie ein Wildwasserfahrer sein Kanu, im wilden Strom der Eindrücke von Innen und Außen, um Hindernisse und Wirbel schließlich in ruhiges Gewässer zum Ziel zu lenken vermag.