Sonntag, 27. Dezember 2009

Freitag, 25. Dezember 2009

... dann schreiten wir zur Tat.


... und wenn sich Ordnung in der Wirrnis zeigt, dann schreiten wir zur Tat.

... nein, wir eilen nicht, wir hetzen nicht, wir rasen nicht, wir überholen nicht, wir drängeln nicht ... wir schreiten...und schon das Schreiten selbst ist Tat.

... wir wollen nicht die Ersten sein, sondern auf dem richtigen Weg.

Nichts gegen Raketen, doch sie bringen den Licht-Feuer-Zauber nur außerhalb von uns zum sprühen. Eine atemberaubende Spanne lang.
Erloschen liegt die Schlacke bald im Dunkeln, und das Erinnern zittert nach wie der Geschmack großer Gefühle die sich selbst verbrannten.

Und wenn sie uns zu Sternen tragen,  sind trotzdem wir noch immer dieselben. Ist es nicht kürzer und ökonomischer die Sterne im unerforschlichen Nachthimmel unseres Herzens zu entzünden.

... wer schöpferisch ist, ist ganz bei sich, weil er sich überschreitet.

... mit den besten Wünschen zu Sylvester und NeuJahr 2010
KUNSTKLOSTER artresearch

Dienstag, 22. Dezember 2009

wahr nehmen


In der Wirrnis zeigt sich Ordnung, wenn ein achtsamer Blick darauf ruht.

Zuerst wird das rasche Auge dieses Bild identifizieren.
Es sieht verschneite Äste eines Busches und wird vielleicht eine gewissen Ästhetik darin erkennen, den Zauber eines Momentes, in dem leichter Schnee auf den dünnen Ästen für eine Weile Wohnung nimmt, bis der Wind und die Wärme ihn abschütteln.

Doch wie alle Bilder spiegelt auch diese Fotografie die Kraft der Betrachtung selber wider. Wenn der Blick rasch weiter eilt, was besonders in diesem Medium hier fast zwingend ist, wird er sich nicht vertiefen wollen oder können. Er wird nicht weiter eintauchen in das was noch zu sehen ist. Was mich zu diesem Foto veranlasst hat, und das ich nun, auf dem indirekten Wege der Beschreibung, ins Blickfeld rücke.
Es war die "realistisch-abstrakte" Malerei, die "Kunst" darin die mich faszinierte.
Zum Beispiel die Bezugslinien, die aus einzelnen Linien Figuren ergeben, dann der Kontrast von Braun, Blau und Weiß, und die zufällige und doch nicht beliebig wirkende Komposition. Dabei suchte ich nicht lange diesen bestimmten Ausschnitt.

Es ist eine Ordnung die sich in der Wirrnis ahnen lässt, etwas, das der betrachtende Blick selber ergänzen und schaffen muss, und was Geist und Sinne fordert und anregt.
Es bleibt dabei dennoch immer auch der Schnee auf Ästen an einem lichten Tag und ist doch zugleich Rhythmus und Architektur, Zeichnung und Überschneidung, Form und Kontrast.

Die Rezeptoren, Synapsen, Nervenbahnen, also der hochkomplexe Vorgang, der bei einer einfach scheinenden Wahrnehmung "in Betrieb" ist, wird, durch das Verweilen auf einem Bild, dieses als mehrschichtig entschlüsseln (wie alle Wirklichkeit auf der der Blick "ruht") und zu einem bewussten intensiven Erleben verdichten.
Eine Schichtung, die zu einer Geschichte wird und vom komplexen und differenzierten Ganzen berichtet. Also von der äußersten leicht identifizierbaren Oberfläche, bis zum kosmischen Rätsel von Bewegung und Gestalt.
Dieses Betrachtens wird den Betrachter selbst "aufräumen-ordnen-klären".
Vielleicht weil Ordnung und Gestalt im Sehen selber liegen.
Zunächst könnte man denken, dass das Bewusstsein Chaos und Unübersichtlichkeit nicht erträgt, weil die Sinne, in sich selber klar sind - wie geputzte Brillen -und deshalb Ordnung und Gestalt erkennen und erzeugen "müssen". Vielleicht ist es deshalb Sinn-voll aufzuräumen, zu ordnen und zu klären, weil die Sinne selber geordnete, aufgeräumte und geklärte Organe sind, voraussgesetzt sie sind gesund? Doch geht das Wahrnehmen darüber hinaus.
Das Wahrnehmen selbst ist ein schöpferischer Akt.
Durch Entdeckerlust und Spielfreude werden lebendige Kräfte organisiert.
Muster, Figur, Gestalt und Sprache entstehen. Das Subjektive wird transparent bis zum kollektiven Grund, es wird mitteilbar, rezipierbar und damit aktiv gestaltender Bestandteil der Gesellschaft.



zurück zum Bild:
Das Auge wird nur einen Augen-Blick auf dem Bild mit den Zweigen ruhen, es identifizieren und wäre rasch damit fertig, würde es durch diesen Text nicht rückkoppelend beeinflusst (sofern sich jemand die Zeit gibt ihn zu lesen).

Erst wenn der Blick ruht, öffnet sich das Bild. Davor dient das Auge als Scanner, der Interessantes, Bedrohliches, Aufregendes, Anziehendes und Verwertbares abtastet. (Nicht selten von Augenfängern geködert.) Allderdings: es "sieht" dabei nicht, sondern identifiziert bloß. Das ist wichtig. Gewiss.
Doch das schöpferische Sehen, das beginnt wenn der Blick ruht, ist nicht nur wichtig sondern auch eine feine nährende Verbindung zum Glück - im AugenBlick.

Wenn Sie die Zeit haben, wenn Du die Zeit hast, dann lasse Deine Augen auf dem (vergrößerten) Bild mit den Schneezweigen etwa so lange darauf "ruhen" wie es dauert den Text zu lesen. (Nicht unbedingt so lange wie es dauert ihn zu verstehen :-)) und sieh was Du siehst.

Dienstag, 15. Dezember 2009

Teleskop



7 Uhr morgens. Langsam wird es hell. Es ist kalt geworden. Ich sitze am langen Tisch und schreibe mich aus den Träumen ins Wache.

Gestern, kommt mir in den Sinn, hörte ich in den Nachrichten, dass ein neues Teleskop ins All geschossen wurde, mit dem Ziel, eine umfassendere Weltraumkarte anzulegen. Und auch dafür sei es gedacht, wurde gesagt, damit es Ausschau halte nach Planteten, die der Erde möglicherweise gefährlich werden könnten.
Ich musste lachen.

Was der Erde gefährlich werden könnte und gefährlich wird, ist das nicht jenes clevere Kollektivwesen (dem auch der morgendliche Schreiber zugehört) das eine Rakete zu konstruieren in der Lage ist, die ein Teleskop befördern, ein „außerirdisches“ Auge in den "blinden" Weltraum zu implantieren versteht?
Doch auch ein Kollektiv das, trotz Teleskop, eine blinde Stelle in seiner Sicht hat. Eine Stelle die weder von einem „Fern-Rohr“, noch von einem Mikroskop erkannt werden kann. Jene blinde Stelle ist gemeint, die den Feind allein im Außen vermutet. (nebenbei: auch ein Mikroskop zeigt nur ein Außen).
Könnte es nicht sein, dass, wenn es den Feind denn gäbe, (nehmen wir das mal an) eben dies seine Strategie sein könnte; die Gefahr immer draußen, beim Andern, beim Nachbarn, in weiterer Ferne und in der Zukunft zu vermuten, nur nicht bei sich, im eigenen Ich-Haus?
Doch hat er nicht - wenn mann seine Augen reibt, und ohne Geräte in den Nebel seiner noch traumgeschwängerten Gedanken und Empfindungen schaut - längst komfortabel, wenn auch meist verborgen, Wohnung genommen, eben in diesem eigenen Ich-Haus? Residiert er dort nicht als geheimer Berater mit erheblichem Einfluss? Hat er sein Revier nicht wie einen undurchdringlichen Ring um das „Herz-Heiligtum“ gezogen? Dort von wo her jeder Mensch seine Lebenskraft, sein Lebenswasser bezieht, ohne es von Andern rauben oder borgen zu müssen? Wo er die Freude geschenkt bekommt, und die Liebe, bevor sie sich ins Geschlechtliche entzweit? Wo er schöpferisch und findig erspielt was er braucht, und mehr als er braucht - um es zu schenken?

Kommt aber das naive Ich-Bewußtsein, auf der Suche nach Erfüllung und seiner Bestimmung daher und will an seine Quellen, dann sieht es sich vor der verspiegelten Ringburg des „Beraters“ stehen. „Wo willst Du hin“? fragt dieser. „An mein Lebenswasser, zur Freude, zur Liebe, zu meinem Lebens Sinn" antwortet es treuherzig und blauäugig? Der Berater lächelt mild und sicher. Er ist alt. Wie oft hat er diese Frage schon gehört. Viel länger wohnt er schon in diesem Haus als jenes Ich mit seinen paar Jahrzehnten. „Schau ich zeig es Dir“.

Und er zeigt ihm: statt des Wassers den Schnaps, statt der Freude den Spaß, statt der Liebe die Lust und statt des Sinns den Beifall. (Und er hat ihn nicht einmal belogen. Denn im Schnaps ist das Wasser, in der Freude der Spaß, in der Liebe die Lust und im Sinn der Beifall).

„Ich helfe Dir dabei, dass du findest was Du suchst, schau im Internetz nach, da findest Du was ich für Dich fangen konnte, und es ist (fast) alles. Doch Du bekommst es leider nicht umsonst wie im Märchen. Du musst es Dir erkämpfen,erobern, erbeuten, erjagen, erschleichen, erwerben, ertrotzen, ertricksen, erstehen, erschwindeln, erlügen zur Not, um zu ersiegen was Dir zusteht ... und dann musst Du, was Du so erreicht hast: bewahren, mehren und verteidigen. Dann hast Du was Du suchst. Hier sind ein paar Waffen, die schenk ich Dir: viel Glück.“, sagt er. Und er denkt, ohne es zu sagen:

„Da schreibt sogar einer im Moment in seinem Blog über mich. Der liegt nicht mal so falsch. Nur sich selber erkennt er nicht. Seinen blinden Fleck sieht auch er nicht. Denn wenn er sich ganz erkennen würde, dann würde er nicht mehr schreiben, sondern nur noch lachen. Dann gäbe es weder mich noch ihn, weder Feind noch Freund. Dann wäre es wie es wirklich ist. Schnaps wäre Medizin und eine kostbare Variante des Lebenswassers. Lust wäre ein schöner beseligender Aspekt der Liebe. Spaß wäre ein leichtfüßiger Begleiter der Freude, und Beifall ein wärmendes Geschenk an den Sinn. Und der Lebenskampf ein herrlich-weibliches Spiel, bei dem jeder Gewinn ein Verlust, und jeder Verlust ein Gewinn ist.

Die Trennung, und meine Spiegelmauer, würden aufgehoben in einem leuchtenden, fruchtbaren, vielfältigen IMMER, das in der Mitte eines jeden Lebens pulsiert, nach dem selbst ich mich schon eine Weile sehne. Obwohl ich alles verhindern muss damit eben dies geschieht.

Ich bin der WiderSager, der GegenRedner, der alles, was innig aus sich selber IST, zum GegenStand entäußert. Ich hab es langsam gründlich satt! Es ist Zeit für meine Rente. “.

„He!“ ruft er dem Frager nach, der schon ein Stück entfernt war: „Komm zurück Du TOR, ich zeig Dir den Schlüssel!“

Sonntag, 13. Dezember 2009

Das Eis der Erde schmilzt

Das Eis der Erde schmilzt. Es wird wärmer. In den Herzen wird es kälter. Herzen werden hart, sie werden zu Härtzen.
Das macht die Gesichter gesichtslos: ohne Sicht.
Ohne Aussicht und Einsicht. Matte Spiegel. Bildschirme die fremdbestimmte Programme abspielen.

„Liebe“ treibt das geTriebe. Werbegeil.
Emotionalbanal. Egoeromanisch.

Der Fortschritt stürzt nach vorne ab.
Das Wachstum wuchert erfolgreich und beglückwünscht sich im Zauberspiegel der käuflichen Statistik.

Geld ist machtvoller Gott der Zeit. ZeitGeist, der das Ewige verfolgt und in Gettos der Lächerlichkeit sperrt. Seine Priester regieren. Die Magiere des Goldes.
Der „MAGIER“ des Geldes. In der Umkehrung: GIERMA. „Ma“ heißt groß. Die Große Gier.
Dem Geld wird gehuldigt, ihm opfern wir, wir sind seine Gefangene, seine Sklaven, Vasallen, Beamte, Statthalter, Verwalter und Regenten. Die Zahlen bestimmen. Sein Sog ist unüberwindlich. Wenige nur können sich freimachen.
Diese gebrauchen eine andere Magie, ohne Gier. Ihre Botschaften sind die Märchen.

„Göld“, nennt es Sahra Kirsch. „Kält“ könnte es auch heißen.

Künstler, nein, nicht nur Künstler, Alle! brauchen die Anerkennung. Brauchen, dass sie erkannt werden, so wie sie im Innersten sind. Doch niemand sieht das. Am wenigsten sie selbst. Sie, wir, ahnen es bloß und glaubten einst es im Außen, im DU, zu finden. Bald schon nicht mehr, nachdem wir uns im verspiegelten Netz der Sprachverwirrung verfangen und gebunden haben. Glückliche Ausnahmen gibt es, glücklicherweise.

So lernen wir nun, in einsamen Plätzen unseres Wesens, ein wenig abseits des Bewusstseins, die Splitter unserer zerstörten Hoffnungspaläste aus Glas, die Bruchstücke unserer Traumschlösser, die Trümmer der eingestürzten Elfenbeintürme, die madigen Reste der Wolkenkukuksheime zu sortieren und in Honig zu verpacken. Wir machen anGebote, machen uns zu solchen, bieten uns erneut an, um, wenn einer zugreift, noch ein wenig geBieten zu können.
Wir lassen uns coutchen und spiegeln, und sollen keck zeigen was wir sind und haben. Dass der Andere immer wieder meint, er bräuchte unbedingt dieses und mich.
Und wir gewöhnen uns daran, den schalen Geschmack der Lüge auf der Zunge, mit Süßem und scharfem Gerede zu überschmecken, und nennen es "menschlich" und verzeihen es uns, weil wir es nicht zu ändern vermögen.

Was schreibe ich hier? Wen interessiert das? Ein wenig Wortakrobatik am Sonntagmorgen. Streckübungen die keine Strecke überwinden, höchstens vielleicht ein wenig elastischer machen im DoppelFlügelHirn. Ein wenig "einleuchten", dort wo es vielleicht besser dunkel bleibt. Flugübungen außerhalb des ZeitGeistes. 

Dennoch: da ist ein Feuer im Ofen, wenn auch ein einsames. Da ist das Schnurren der Katze und der Zauber frisch verschneiter Bäume mit ihren filigranen Zeichnungen der Äste. "Das Eis schmilzt nicht auf einmal", spricht der Sonntagsschnee.

Es geht weiter. Es geht weiter.  Von dorther wo es GUT ist ohne sein Gegenteil ... von dort her ist alles geschenkt.

Samstag, 5. Dezember 2009

Fünf Tage Berlin - neues Atelier

Montag, 30.November

Die letzten fünf Tage in Berlin, mein neues Atelier aktivieren.
Noch kein Internet, kein Telefon. Eine einfache, nicht zu kleine Stadthöhle in Kreuzberg.
Wobei ich bisher weder den Berg noch das Kreuz entdecken konnte.
Oder ist damit meines gemeint, das sich nach tagelangem Putzen, und Räumen deutlicher spürt als zuvor?

Die ersten Tage verbrachte ich also damit mein Kreuz zu belasten, auf dem Berg von Arbeit die nicht delegierbar ist.
Staubsaugen, alle Wände, die Decken feucht wischen. Niedere Arbeit? Keine Arbeit für Künstlerhände?
Von wegen! Die Hände denken, sehen, spüren, begreifen, erkunden Fugen und Ritzen, tasten die Mauern entlang, die Böden, haben Augen und Nasen, und schmecken den Staub der Vorbewohner. 

In andern Kulturen ist das Reinigen eine rituelle Handlung, ist atmosphärisches Gestalten...doch warum in andern? Jeder der so etwas tut lebt in dieser „andern“ Kultur. Das behutsame Reinigen, bewirkt ein Öffnen der Atmosphäre, die zuvor wie eine, mir noch fremde "Berliner Schnauze", knurrte. Dann aber, wenn ich mich nicht ängstige und sie begrüße, ihr freundliches Willkommen spricht.



Dienstag 1. Dezember
Um die Ecke entdeckte sich mir ein Laden mit gebrauchten Büromöbeln.
Ich kaufte drei große Aktenschränke, für Bilder und Material, bezahlte sie gleich, weil ich dem cleveren jungen Mann vertraute (zu Recht wie sich zeigte) und am nächsten Tag waren sie schon da und aufgestellt.
Ich hatte nur einen Stuhl dabei, eine Arbeitsplatte, eine schmale Matratze, ein paar Kissen und Decken, Küchensachen und Kartoffeln, bis ich feststellte dass es keinen Herd gibt. Das war mir entgangen. Kein Herd, kein warmes Wasser im Abwasch (dafür im Bad...ein Luxus sei das in einer Kreuzberger Soutterainswohnung hörte ich später...eine eigene Dusche...) So lernte ich wieder sitzen auf dem Boden und erkannte den Wert von fließendem Wasser und diesem so selbstverständlichen Funktionieren des Sanitären.
Mit der „Welt“ war ich nur per sms verbunden. Die elektronische Nabelschnur sendete Sturmfrequenzen. Parallel dazu „genoss“ ich das "autistische Dasein". Mit niemand reden zu müssen, keine Verabredungen zu haben, nicht erreichbar, greifbar zu sein. Niemand weiß dass ich Rumpelstilzchen heiß. Doch so heiß ich ja nicht, denn ich will kein Kind von einer Prinzessin rauben. Und in der Erde versinken brauche ich auch nicht, denn ich lebe im neuen Quartier bereits sieben Stufen unter der Erde, der Gehsteigsebene, doch über den Kanälen der Stadt.. Exakt sieben Stufen. Wenn das kein mystisches Zeichen ist. Sieben Stufen abwärts und sieben Stufen aufwärts. Doch nicht nur mystisch ist das, sondern ausgesprochen bequem zum aus- und einladen. Das fanden auch die Männer die die Schränke brachten. Als ich mich nach einen Kühlschrank erkundigte sagte der Verkäufer: ja wir liefern auch, kostenfrei bis zum zweiten Stock. Fünf Stock sind die Regel, auch in "meinem" Haus.


Mittwoch 2. Dezember

Da ging ich schon raus. Erkundete die Gegend, Fürbringenstraße, Bergmannstraße, nachdem Biomarkt und Einrichtungszentrum in der Nähe bereits vertraute Wege wurden. Wie rasch es geht Spuren zu legen. Bahnen im Gehirn durch Wiedererkennen. Gespürsinn.
Am Abend dann erstmals wieder im Auto. Das Navi strudelte mich in einen Straßenwirbel um den Funkturm hinein. Eine Stunde, statt 10 Minuten brauchte ich zur noblen Adresse in der schon Bilder von mir wohnen und wirken. Möglicherweise noch weitere, die ich im Auto dabeihatte. Erster Abend am gestalten Tisch. Geschmackvoll nicht nur die Tafel, auch Suppe und Bratapfel...alles Bio...Bio metrisch....Bio magisch ...Bio pathisch, und, logisch: Bio logisch.
Rückfahrt, schon empfindlich kalt. Auch der Vollmond schaut sich die Riesenreklamen von frierenden Mädchen an, die Tag und Nacht Reiz-Unterwäsche den Autofahrern präsentieren müssen. Die andere Art Verkehrs-Zeichen, die hier ebenso präsent sind wie Rot und Grün - als Ampeln.


Donnerstag 3. Dezember
Da brach der sms-Sturm ab und die Nabelschnur riss. Schmerzlich. Dabei war ich erstmals weiter im Stadtinneren. Mit den Rad die Friedrichstraße entlang. Ziel: Museumsinsel.
Riesenplätze mit palastgroßen Plakaten vor die Fassaden Gespannt. Drucktechnisch beeindruckend, doch das was hier vergrößert wurde, naja. Die Bildbotschaft lautete:Kaffee gleich Erotik...Erotik gleich Kaffee.
Allgegenwärtig, diese „Diktatur“ des Erotischen. Statt einer politischen? Keine Frage was anregender ist und angenehmer scheint. Aber warum überhaupt diese Überdimensionalität? Dieses Vergrößern, Übersteigern, Gigantisieren? Öffentliche Kunst wird von der Werbung völlig absorbiert, sodass die Cleveren der Branche Werbung längst, in einem intellektuellen Putsch, zur Kunst erklärten. Alte Werte neu zu schaffen ist einfach etwas mühsamer als frischen verführerischen Süßstoff herzustellen, auch wenn eben dies ein knochenhartes Geschäft ist, weil es Angelköder sind die sich selbst als nahrhafte Fische anbieten. Diese coole Lüge wird professionell betrieben und steht in Sold und Dienst einer Wachstumsideologie "auf-Teufel-komm-raus". Sie kostet Seele und warme menschliche Substanz.
Visuelle Machtausübung als Unterhaltung? Sicher nur äußerlich. So aufwendige Präsentation ist teurer, soll sich auszahlen und ist deshalb exakt auf Wirkung berechnet. ...Größe mal Masse gleich Gewinn... Das romantische Ambiente auf dem Riesenposter... ein Liebespaar...alles Kaffee...aber sichtlich kein kalter..
Nein: die Romantik ist exakte Berechung. Da führt ein harter Wettbewerb, im Krieg der schwarzen und roten Zahlen, den Kampf um die Hormone von uns „Endverbrauchern“, und implantiert, mit ästhetischer Intellingez, in unsere Liebessehnsucht das Produkt, in diesem Falle Kaffee, hinein...Es könnten auch Autos sein, Versicherungen, was auch immer durch das Begehren attraktiv gemacht wird.
So macht das alle Werbung seit je...
Auf kollektiv Wirksames wird das zu Verkaufende, das Produkt aufgepfropft, damit am Stammbaum die gezüchteten Früchte gedeihen., die dann käuflich erwerbbar sind.

Wachstumsbeschleunigung des Marktes?....
Eben zu dieser Zeit wird unweit ein solches Gesetz im Bundestag diskutiert. Krebs wächst auch beschleunigt...doch hier gilt es das Wachstum zu hemmen. Warum sind "wir klugen" Menschen zugleich so abgrundtief dumm?

Die Straße am Kähte-Kollwitz-Museum ist gesperrt. Polizei. Massenhaft. Grenzschutz in Kampfanzügen. Skeptische Blicke aus Soldatenaugen. Scannerblicke, den Tat-Verdacht aktivierend... - jede Projektion ist zugleich eine Suggestion, die stimuliert was sie vermutet! ...
Der harmlose Stadtradler wird zum potenziellen Terroristen. Seine Anonymität? Nichts weiter als Tarnung! Das Händie in seiner Tasche die Kommandozentrale für den geplanten Gewalt-Einsatz.
„Staatsbesuch“, antwortete der Polizist auf meine Frage - nicht unfreundlich - nachdem ich alle meine mir möglichen Harmlos-Signale vertrauensselig auf ihn abgefeuert habe.

Dann kam ein schöner Schwarm weißer Polizisten in keilförmiger Wildgänseformation auf schnurrenden löwenkräftigen Motorrädern daher gefahren. Sie schwebten surrend in gemessener Eile über den Asphalt. Dann die wichtigen Karossen mit Präsident, Gattin, Gefolge und Gefolginnen und vielen PS, Viele Viele... danach die Grünen Polizisten. Unsere markigen Marken der Sicherheit. Der Schwarm hält im Getto gesicherten Raumes. Getragenen Schrittes dann die Staatsgäste zum geplanten Betroffenheitstermin. Was knurrt den da? Nein es ist ein Trommelwirbel für den Präsidenten. Inszenierte Macht ... hübsch so aus der Distanz. Doch welche Freiheit dann einfach mit dem alten Rad weiter fahren zu können, völlig ohne Protokoll und ohne Blitzlichter, im nachmittäglichen Sonnenlicht. Nein ich möchte nicht tauschen. Keine Lust auf Ruhm und die komfortablen Bunker austauschbarer Größe. Dennoch Verantwortungsbewusst für das Allgemeine. Doch anders. Ganz ganz anders.

Unterwegs zu einer der schönsten Frauen in Berlin. Der Weltschönheit Nofretete.
Hier erlebte ich im ägyptischen Museum, trotz der Schmerzen wegen der sms-Abnabelung, ein tiefes Atmen des Gehirns beim Anblick der jahrtausende alten Werke. Diese Bildhauer schufen nicht für den Markt, auch wenn es das wohl auch gab, aber nicht als erste Adresse. Sie schufen für die Ewigkeit. Da niemand diese kannte, konnte nur das Beste gut genug sein. Und das Beste ist weder kitschig noch eitel noch martialisch. Es ist einfach und schön. Noch immer. Trotz der Bauch- und Nabelschmerzen feuerte eine Freude im Gehirn beim Anblick, und in der Versenkung, in diese wundervoll vertrauensvoll kindlich-genialen Werke.
Ja, das ist (m)ein Grund in Berlin zu sein. Diesen Manifestationen von Menschenhand, vor Jahrtausenden geschaffen, in die Augen sehen zu können, sie zu zeichnen, sie zu atmen. Zu spüren, dass alles Schaffen, das nicht nur Markt- und Menschen-Ruhm meint, diese eine Quelle kennt und aus ihr schöpft. Wäre es nicht zu sentimental, würde ich mir erlauben im Anblick dieser Werke von „heimkommen“ zu sprechen.

Nachher im Pergamonmuseum, bei den Phöniziern und den Griechen, war dieses Erleben nicht mehr so stark. (auch wegen der sms-Infusion sicherlich) Das Ewige, als wichtigste Adresse bei den Ägyptern, weicht später bei den Griechen, großartig gebildet, dem menschlich näheren Drama der Götter und der einschüchternden Pracht-Macht-Entfaltung Roms. Solches gab es sicherlich in Ägypten auch, doch der Focus war dort das Ewige. Deshalb wohl wirken diese Werke zeitfrei und in einer Frische die nicht atemberaubend, sondern atemschenkend ist. Jedenfalls für mich. Das liegt sicher auch an der subtilen und geschmackvoll-großzügigen Präsentation des Neuen Museums.

Dann schließlich Nofretete. Königlicher geht es nicht. Das heißt: Dieses Antlitz vermittelt eine wissende durchdrungene Schönheit und Macht, in der sich Erotik und Distanz, Wärme und Klarheit, Würde und Berührung zu einer Mitte verdichten aus der ein Friede blickt und die Gewähr, dass dieser ewig ist. Ich zeichnete sie. So viele Menschen im Museum. Auch hier genoss ich es „Autist“ sein zu dürfen, ohne Hädfon änd Gaid.
Doch nun ist genug darüber geschrieben, wer wird schon so lange Texte im Ungeduldsmedium Internet lesen wollen?
Ich nicht. Aber ich schreibe es ja für Dich und für die ägyptischen Ewigkeiten, von denen es drei gibt.


Freitag, 4. Dezember
Nach drei Tagen putzen und räumen, einrichten und organisieren, ersten Besuch.
Die schönen Töchter meines unlängst verstorbenen Freundes und Lehrers Lothar R. und Barbara - die ich fast so lange kenne wie sie alt sind - besuchten mich und wir feierten den Geburtstag von Icki mit Frühstück und Erzählen im Cafe in der Bergmannstraße.
Icki und Anja. Gegenpolige Schwestern. Sie verkörpern Jugendstil und Bauhaus. Traumwirklichkeit und fantasievolle Architektur. Wie lebendig Lothar und Barbara dabei waren.


Auf der langen Auto-Rückfahrt den Umweg über Schwäbisch Hall genommen. Die Ausstellung meines anderen verehrten Lehrers, Gottfried von Stockhausen, zur Eröffnung im Hallisch-Fränkischen Museum besucht. Leuchtende Glasarbeiten. Fruchtperlen tiefen Empfindens. Ins Liebende transformierte christliche Geschichte. Dabei von einer pracht- und machtvollen Schlichtheit. Eine Freude, ihn, Gottfried, zu sehen. Leider im Rollstuhl. Doch nicht seine Seele und nicht sein Geist. Die sind frisch, sozusagen ägyptisch.

Nun dämmert ein neuer Tag im Frauenhof. Er wird licht werden.