Freigesetzt.
Frei Gesetz.
Technik: Acrylfarbe, Tusche, auf gerissener Wellpappe / Format: 30 x 30 cm
5.1.2012
22 Uhr
Sturm heute. Orkan.
Die Bilder tauchen auf. Sie tauchen auf wie Boten, und ich folge ihnen, indem ich sie realisiere. Auf dem Weg dorthin zeigt sich vieles was unbekannt und ungekannt ist, doch zeigen sich auch bekannte, vertraute Aspekte aus früheren Arbeitsepochen.
In meinem ersten Bericht für die Studienstiftung, 1974, schrieb ich, dass es mir darum ginge an einer neuen Bildsprache zu arbeiten, in der gegensätzliche Stilmittel wie verschiedenen Instrumente zusammenwirken, die zugleich Ausdruck der Komplexität des Menschen sind, und dadurch ebenfalls wieder in vielschichtige, anregende Resonanz und Wechselwirkung zu treten vermögen.
„Komplexität“ ist ein Begriff, der auf eine Einheit, auf ein Ganzes verweist. Etwas das aus vielen Elementen und Kräften besteht, und doch mehr ist wie die Summe seiner Teile. Ja die Teile erhalten erst durch das Ganze ihren Sinn, ihre Funktion und ihre Form.
Komplexität erscheint solange kompliziert, wirr, oder chaotisch, solange die Ordnung darin nicht entdeckt ist.
Komplexe Ausdrucksweisen in meiner Kunst, und speziell in dieser Reihe, basieren deshalb auf der Gewissheit eines noch ungesehenen Ganzen, das als treibende und ziehende Zielkraft sich in diesem Falle in 17 verschiedenen Tafeln entfaltet. Das heißt: diese 17 Tafeln sind eine. Sie gehören zusammen wie die Ziffern auf einer Uhr.
Fast Tafel ist ein Prototyp geworden, von dem wiederum neue Reihungen und Serien ausgehen können.
Es ist wohl zu erwarten, dass fast alle die die Bilder anschauen werden rasch ihre Favoriten wählen, um mit der Komplexität „fertig“ zu werden. Das ist normal. Ich erwarte nur von wenigen, dass sie die ganze Reihe aufnehmen wollen und können, weil sie den Impuls dahinter erkennen.
In der heutigen Arbeit, im Anschluss an den dunklen Schwanensee, ergab sich eine neue Arbeitsweise. Die Farbe in ihrer freigesetzten Offenheit brauchte ein größeres Format. Freie Bewegung nach der exakten Bildformel am gestrigen Tag. Der Schwan fliegt ins Offene?!
Ich fand einen langen Kartonstreifen in meinem Abstellraum (langsam geht mir das Material aus!) auf das 5 meiner Formate passten und malte mit Spachtel, Rolle, Pinsel, Spritzflasche drauflos. Drauf und Los. Sogar umgekehrt: erst los und dann drauf, mit den Spritzflaschen, die aus alten Materialbeständen zu jugem frischem Einsatz kamen.
Drauf-los und Los-drauf , denn ich wollte keine gesteuerte Bewegung ausführen, sondern wollte, dass „es“ auf neue Weise geschieht.
Das ist natürlich immer so eine Sache: „Ich-will-dass-ich-nicht-will“.
Es ist eben der Zustand im Atelier.
Das Gelingen von Gestern ist das Hindernis von Heute.
Ein schmaler Grad, ein Seiltanz,
zwischen dem Wind der Euphorie freien Malens
und dem Hohngelächter des inneren Tribunals,
das kommentierend alle bekannten Künstler der Geschichte ins Geschehen ruft, die das vor mir und viel besser gemacht hätten.
Ruhig bleiben. Nicht reagieren, den Schreiern nicht das Maul stopfen und rufen: Eure Stars haben ihr Licht auch von ihren Vorgängern gestohlen, außerdem bilde ich mir ja nicht ein hier das Rad neu zu erfinden, ich rolle damit lediglich in eine Richtung die ihr noch nicht kennt...ruhig bleiben...nicht reagieren...runterschlucken die Worte...Sammlung...Konzentration auf die Luft....die Luft ist das Medium...Schritt für Schritt weitergehen. Balance halten.
Dann erst: der Flug.
Nach dem Malvorgang der mit vielen Pausen und Schichten verlief, riss ich die fünf Quadrate zurecht und nahm das erste Beste. Der Zufall durfte heute Regie führen.
Das Bild: ein Ausschnitt einer großen Bewegung, deren andere Teile nicht sichtbar, aber existent sind.
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