Samstag, 13. Februar 2010

Der Baum. Die Scheune. Die Straße.



Der Baum. Die Scheune. Die Straße.

Es gibt Bilder die wirken auch mich wie "Brunnen des Sehens".

Ich fuhr gestern nach Abtsgmünd, um das Nötigste, für die nächsten Tage im eingeschneiten Frauenhof, zu besorgen. Allerdings fuhr ich mit heftigsten Rückenschmerzen, die mich seit Tagen in den selbstverständlichsten Bewegungen behindern.
Also keine sonderlich gute Grundvoraussetzung die Umgebung "beschaulich" zu betrachten. Oder grade doch?

Wie kommt es, dass meine alarmierten Nerven die verschneiten Bäume am Straßenrand, über die Augen, wie Medizin einnehmen? Wie ist es möglich, dass der "Hexenschuss" mit seiner aufdringlichen Präsenz, durch diese Eindrücke zum Sekundärphänomen wird und ich, trotzdem auf der Straße anhalte und fotografiere, als gelte es, unter allen Umständen, diesen einen AugenBlick auf zu nehmen?
Welche Kraft geht von solchen Bildern aus die im Vorüberfahren aufblitzen wie Radarfallen?

Schnee ist den meisten wohl inzwischen lästig. Auch ich habe wohl das Kreuz beim "frei-schippen" überlastet. So ersehnt der Blick schon das nahende Grün. Doch der "weiße Riese" ist auch ein großer Zeichner. Ein Schwarz-Weiß-Genie. Ich fahre durch seine grandiose Landschaftsinstallation.

Ja, und da gibt es Bilder im Vorüberfahren, die wirken wie "Brunnen des Sehens".

In Ihnen verdichtet sich etwas zum Motiv, das motiviert anzuhalten, den Fluss der Bilder umzukehren, und in eines einzutauchen, nur in eines wie in ein Gesicht.
Da ich es im Moment nicht malen kann, so will ich es betrachten und statt Farben und Leinwand Worte auf die Palette nehmen.

Der Baum. Die Scheune. Die Straße.
Das Wachsen. Das Sammeln. Das FortKommen.

Der Baum. Das Wachsen.
Er zeigt Entfaltung, Verzweigung und Verästelung ,
zeigt Vielfalt und Einheit in einer Gestalt.
Zeigt die hölzernen Nervenbahnen seines schlafenden grünen Gehirns.
Zeigt seine natürlich gewachsenen Antennen die Licht trinken, die Impulse aus dem WeltRaum aufnehmen und diesen in eine irdische BaumRaumSkulptur verwandeln.

Seine Gestalt verhehlt nicht auch beschnittener Zweckbaum zu sein.
Im Herbst bringen es seine Früchte nicht bis zum kontrollierten Supermarktsortiment, können es nicht mit den erfolgreichen prallen - EU genormten -Zuchtobjekten - jedes mit einem Etikettchen aufgeeitelt - aufnehmen. Er bleibt ein Provinzler. Wenn seine Früchte überhaupt aufgesammelt werden, dann für den Obstler, und ein paar fürs Atelier.
Was kümmert es ihn? Ich weiß es nicht, doch ich bilde mir ein, (als Bildner muss ich mit der EinBildung arbeiten), nehme mir die spielerische Freiheit ihm Subjektivität zuzusprechen und meine dass er es mag, wie alles was natürlich zur Erscheinung kommt, nicht nur als Zweck, sondern auch als Zeichen, wahrgenommen zu werden.
Als Ausdruck lebendiger Prozesse die Gestalt geworden sind zwischen Kosmos und Erde.
Als VorBild und Beispiel wie komplexe (gesellschaftliche) Probleme fruchtbar zu lösen wären.
Als Chiffre lebendiger Schrift, die den menschlichen Geist anregt, weil sie ihm verwandt ist, ihn überragt und herausfordert.

Die Scheune. Das Sammeln.
Die Scheune braucht ein Dach, wie jedes Haus. Nach Oben, nach allen Seiten muss sie geschlossen sein und nach unten abgesichert. Sie ist das Gegenteil von einem offenen Raum. Also kein Haus. Sie ist Tresor. Fensterlos. Bergend-verbergend. Nur ein Innen umschließend. Nach Außen ohne Signal. Wie eine Batterie. Energie und Ernten der letzten Sommer sammelnd für kalte Zukunft, für Notzeiten, in denen das Gespeicherte begehrtes notwendiges teures Gut zu werden verspricht. Verborgene Werte für verborgene Zwecke von weltklugen Menschen gesammelt.
Heute findet sich darin kaum mehr Getreide, das möglichen Hunger in dürren Zeiten lindern würde. Bildnerische ist sie ein geometrisch grafisches Element. Reine Konstruktion.
Mentale Form. Planendes Denken sammelt sich in ihr. Breiter als hoch. Schwergewichtig wie ein Schatz.


Die Straße. Das FortKommen.
WEG. wegfahren...hinfahren....herfahren....zurückkommen.
UnterwegsSein.
Auf der Strecke sein, aber nicht auf ihr bleiben.
FortSchritt... fort...fort...fort... hin zum Ziel, das überall zu sein scheint, nur nicht da wo man grade ist.
Bald wird man dann angekommen sein und sein Ziel erreicht haben und die Früchte in der Scheune bergen neben dem Baum... dann irgendwann...

Wege, Straßen, Autobahnen, Brücken, sind die größten Bauwerke der Neuzeit.
Verbindungen zwischen Orten deren einmalige Substanz mit anderen Orten verbunden wird. Orte die werben und punkten mit Namen und Bauwerken, und sich herausputzen und anbieten, sich attraktiv machen, um die zielsuchenden Ströme anzulocken und zum Bleiben zu verführen, für eine Weile. Standort - wo möglich - zu werden, mit günstiger Anbindung an das Verkehrsnetz.

Straßen: graue Nervenstränge aus Asphalt mit Zubringern und Abzweigungen.
Graue starre Verkehrs-Fluss-Betten für rollende Räder.

Ein Netz aus Linien das sich dünn und wurzellos über die Erde spannt. Die Straße ist ortlose Oberfläche. Sie ist der Zeit zugehörig, nicht dem Raum mit seiner Tiefe und Höhe. Sie ist gespannt, gestreckt - zwischen Standpunkt und Fluchtpunkt - ist Stecke, zwischen hier und dort. Sie ist Distanz und zugleich deren Überwindung, denn die Straße selbst ist gleichzeitig an all den Orten mit denen sie verbunden ist. Sie ist überall zugleich angekommen und wegführend.

Die Straße ist der manifestierte Traum von Freiheit und Möglichkeit. Sie verspricht, dass jenes was nicht hier ist, dort zu finden sei.
Sie ist ein Ausdruck der Sehnsucht des Menschen nach Omnipräsenz, danach überall zugleich zu sein. Ein Sinnbild auch für die Kommunkatiosverbindungen per Internet, das in seiner ortlosen Gegenwärtigkeit in Maschinen verwaltet und verschaltet wird. In einem wachsenden künstlichen, allgegenwärtigen Großhirn, das, gespeist von vielen Einzelnen, auch von mir, sich immer differenzierter und individueller dem Einzelnen wiederum zuwenden kann, mit seinen automatischen Profilen und maßgeschneiderten Angeboten, von Überwachungen und Fremdeinblicken einmal abgesehen.

Wenn die vierrädrigen Autos über die Straßen rollen sind gleichzeitig Radio, Navigation, und Telefon aktivierbar, sodass der fahrende Körper an vielen Orten zugleich kommunizieren kann.

Verheißt nicht alles unterwegs sein in der Zeit, auch auf der Straße zwischen Geburt Tod, jeder Weg durch die Weite der Landschaften letztlich auf jenes Ankommen, jenen Ort wo alle Straßen zusammenführen, wie man das früher von Rom sagte? "Alle Straßen führen nach Rom".

Ankommen an jenem magischen Punkt, an dem sich alle Suchbewegungen im Außen zuerst verlangsamen, dann stoppen und umkehren, und die Bewegung keine Fortbewegung,von hier nach dort, mehr ist, sondern zum Tanz wird, der sich in eine stille, erfüllende Gegenwärtigkeit erlöst. Wie der sitzende, lächelnde Buddha, das Sinnbild für die lebendige Ruhe angekommen Glücks. Der Weg dahin führt wohl vom verzweigten Großhirn, mit seinen natürlichen und künstlichen Netzen, zurück zum Herzen. Führt aus dem NeztWerk heraus nach Innen. Zum Baum der Leben ausdrückt, und zur Scheune gesammelter Schätze, die verborgen gespeichert sind in verborgen Herzkammern.

Es gibt Bilder die wirken auch mich wie "Brunnen des Sehens", und wenn ich daraus trinke, neutralisieren sie auch den akuten Schmerz, der mich zwingt "vor Ort" zu bleiben. Mir jedoch die enge Chance läßt, im Stuhl sitzend die Gedanken herzulenken, mich von ihnen zugleich bewegen und führen zu lassen, und sie in eine Betrachtung zu übertragen, die selber Bild wird.

Der Baum. Die Scheune. Die Straße.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Lieber Alfred. Schöne Beschreibung, die mich berührt. "Der Brunnen des Sehens, der Brunnen des Lebens". Die Natur existiert ursprünglich, wirkt und entwickelt sich ständig im Zauberkreis des Erblühens und Vergehens ohne Selbstsuch oder Würdelosigkeit. Sie verschenkt noch keinen Gedanken an das Morgen und vermittelt durch ihre Gegenwärtigkeit und Schönheit im berührten Herzen ein Gefühl von Sehnsucht nach Ankommen, Vereinigung, Ruhe, Frieden, Einssein und Heilwerdung im schöpferisch göttlichen Wirken, durch eine Kraft, die höher ist als unser Verstand und unsere Augen erkennen. Medizin zur Verwandlung der Gedanken. Medizin für das Herz. Medizin aus dem Herzen der Natur.
Alles Gute für Dich!
Gabriele

Anonym hat gesagt…

Ja Alfred so wie es Dir auf der Straße ging, das kann ich gut nachfühlen, bin vor kurzem nach Österreich gefahren und eigentlich wollte ich ständig anhalten und Bilder machen, da der Schnee die Landschaft wirklich verzaubert hatte und viele viele Bilder mit perfekten Linien und Aufteilungen entstanden sind. Da jedoch die Autobahn Tempo fordert, nahm ich all die Eindrücke einfach so in mir auf und erst als die Berge dann übermächtig sich vor mir auftürmten, machte ich mal halt und pixelte die Landschaft auf den Speicher der sichtbaren Erinnerung.
Deine Rückkopplungen aus diesem Gesehenen sind sehr lesenswert und eine Wohltat für die Seele. Wünsche Dir gute Besserung für`s Kreuz, bis bald ULI.

Anonym hat gesagt…

Der Baum, die Scheune, die Straße...wenn Umrisse und Oberflächen durch die Quelle der Vision, Einbildungskraft und Empfindsamkeit transparent werden,nämlich zu Anmut und geistigem Ausdruck, sind das die besten Augenblicke des Lebens,die aus diesem herrlichen Erwachen der höheren Kräfte und dem ehrerbietigen Zurücktreten vor der Natur entstehen.
Heilsame Gedanken ans Kreuz.
Gabriele