Samstag, 23. Januar 2010

Nachruf

Nachruf an den Lehrer
Prof. Hans-Gottfried von Stockhausen


Auf dem Weg zur Beisetzung von Hans Gottfried von Stockhausen, in seiner Heimatgemeinde in Buoch im Remstal, hörte ich in den Nachrichten, dass unzählige Menschen in Haiti, aus der verzweifelten Situation heraus, ohne Beerdigung, ohne Namen und Identifikation in Sammelgräber geschüttet würden.
Dieser zeitgleiche Zusammenhang, wie ein letzter Weg so gegensätzlicher Art sein kann, ging mir bei der würdevollen Trauerfeier des verehrten Lehrers nicht aus dem Sinn.

Deshalb nahmen wir, als ehemalige Studierende, die Idee von Angelika auf, für Haiti zu sammeln und den Betrag in seinem Namen zu überweisen.

Mit dieser, viel zu kleinen Geste, möchten wir unseren vorbildlichen, ja warum es nicht sagen: geliebten Lehrer würdigen.

Aber auch dadurch, dass wir uns, nach so vielen Jahren, neu begegnet sind.
Wir brachten sein pädagogisches Wirken an uns zu Sprache, und sagen von Glück einem so tief und positiv prägenden Menschen, Künstler und Lehrer begegnet zu sein.
Er schenkte uns sinnhafte Orientierung, über die Zeit des Studierens hinaus, die wir, jeder auf seine spezifische Weise, in unser Tun mit einbeziehen.


In dankbarer Erinnerung


Alfred Bast
Andreas N. Franz
Bernhard Herzig
Ursula Huth
Erkia Megyeri
Albrecht Pfister
Angelika Müller-Ottenbreit
Louis Schäfer
Regine Schönthaler
Sam Szembeck

Donnerstag, 14. Januar 2010

Hans-Gottfried von Stockhausen

Foto: Ada von  Stockhausen-Isensee, Quelle Wikipedia

Am 8. Januar diesen Jahres ist Hans-Gottfried von Stockhausen gestorben.

Er war einer meiner wichtigsten Lehrer. Nicht nur in Sachen Kunst sondern auch als Mensch. Von 1970 bis 1975 studierte ich bei ihm an der Stuttgarter Akademie.

... Er gehörte zu jenen wenigen, auch pädagogischen Künstlern, die im Studenten sich nicht selber spiegeln und fortsetzen wollen, sondern diesen dort erreichen, wecken und ansprechen, wo er noch im Eigenen schläft. 

Zu seiner derzeitigen Ausstellung in Schwäbisch Hall bin ich aus Berlin, speziell zur Eröffnung, am 4.12. 09 angereist. Und auch jetzt, an seinem Todestag, war ich wieder auf der Rückfahrt von Berlin in den Frauenhof. Das ist nicht wichtig und doch: die beiden Rückreisen sprechen eine feine Sprache. Nicht im Sinne einer bedeutungsschweren Übereinstimmung, sondern als Tatsache. Auf solche feinen Übereinstimmungen, die das Leben spricht, hatte auch er ein aufmerksames Auge.

Es war mir dringend ihn und seine Werke in Schwäbisch Hall zu sehen. Ich fuhr ohne Pause und kam ein wenig zu spät, doch noch rechtzeitig um ihn und seine Arbeiten, die mich sehr beeindruckt haben, zu erleben. 

... Da ist einer der aus einer tiefen Glaubensquelle schöpft. Einer Quelle, deren Wasser noch nicht in religiös-ideologische Flaschen abgefüllt ist, sondern dem Maler frei aus der Hand sprudelt, notierte ich in mein Skizzenbuch.

Von ihm lernte ich viel, auch aus seinen Erzählungen über die verschiedenen Kulturen die er kannte. Immer montags in der Akademie. Das war für mich der wichtigste und oft einzige Termin dort . Dann fuhr ich wieder zurück nach Laubach aufs Land und malte in meinen Häuschen weiter. 

Von ihm lernte ich auch Toleranz und: dass man hier nie auslernt. Er war einer jener seltenen deutschen Männer meiner Vätergeneration, die ich kennenlernen durfte, die das Dritte Reich nicht zerbrochen, nicht korrumpiert, sondern zutiefst erschüttert hat. Es gab nicht viele Männer, als magere Orientierung für die jungen aufgewühlten 68er Studenten, die stark genug waren, ihre Erschütterung nicht verbergen zu müssen. Die in der Lage waren sie glaubwürdig zur Sprache zu bringen.

Er hat mich für die Studienstiftung vorgeschlagen und in diesem Zusammenhang habe ich ein Auslandsstipendium nach Pondicherry/Auroville, in Südindien erhalten, das mich entscheidend prägte. So sei mir dieser ganz persönliche Bezug und Dank erlaubt. Ich weiß und erwähne es gerne, dass ich nur einer von vielen war, die er auf ähnliche Weise gefördert hat. Ich möchte sie hier alle mit bedenken. Er war ein großer Lehrer, aus diesem Blick nahm ich ihn primär war. In Schwäbisch Hall erstaunte ich ganz neu über den großen Künstler, den er nie in den Mittelpunkt seines Unterrichts stellte. Obwohl er präsent war. Vor allem im Zuhören, Begleiten und seiner großräumigen Fähigkeit durch Fragen, nicht durch dogmatische ästhetische Postulate, das Potenzial der Studenten zu öffnen und ihm Richtung aufzuzeigen, nicht vorzuschreiben. Es war ein Glück bei ihm, von ihm zu lernen, und wie mit der Toleranz, so hört auch ein solches Lernen nicht auf.

Wir freuten uns beide sehr, uns in der Ausstellung in Schwäbisch Hall wiederzusehen, das darf ich so schreiben. So pur wie es war. Denn in den Jahren ist eine Freundschaft gewachsen. Er saß im Rollstuhl und seine Augen waren trotz der großen Anstrengung klar. "...wie geht's Dir..." fragte er. "...immer am Anfang, immer am Anfang..." sagte ich. Und er meinte: "...das sind wir doch alle...". Ja! Immer am Anfang. Auch er. Jetzt.  

... Das Licht das durch seine schönen Glasfenster- die bleiben werden- strahlt, leuchtet nun auch - in meiner Erinnerung - farbig, warm und inspirierend durch seine Person .

Wie wunderbar ist doch die Kunst und der Mensch, wenn sie transparent werden. 

Er hat - in meinen Augen, die durch ihn geschult wurden - seinen Namen erfüllt und durchlichtet.

Hans-Gottfried von Stockhausen. 

Die Ausstellung in Schwäbisch Hall im Hallisch-Fränkischen Museum ist höchst sehenswert, für alle die von Kunst genährt und nicht nur informiert werden wollen.  Sie dauert noch bis zum 28. Februar.

www.glasbild.com                         www.schwaebischhall.de          Hans-Gottfried von Stockhausen      Licht  Sinn Raum

Dienstag, 12. Januar 2010

Gesichter


Gesichter

... Wieder zurück auf der Bildschirmoberfläche. 14 Tage lang war ich außerhalb vom Netz und habe es nicht vermisst. Ging "in mich". Da ist viel los. In jedem Gehirn gibt es so viele Nervenzellen mit unzähligen Kontaktmöglichkeiten, dass diese die Zahl aller Atome im gesamten Universum übersteigt, hörte ich. Was für eine Dimension unter meinem und Deinem Dach. Sie zu eröffnen ist mein Beruf. Kunst und Yoga. Die offizielle Kunstwelt mag diese Verbindung nicht sonderlich. Esoterikverdacht. Ein Vorurteil das sich etabliert hat, und das bequem ist und flach, wie jedes Vorurteil. Als sei jeder marktschreierische Hokuspokus dasselbe wie ein echtes Gebet. Aber gut, das ist eben so. Einen gewissen Preis an Ablehnung solcher Haltung bin ich bereit zu zahlen für den Luxus relativer Unbekanntheit die nötig ist, um ungestört in diesem Feld zu arbeiten. 

... An Sylvester malte ich die Nacht durch. Ein großes rhythmisches Bild. 

... Jetzt also wieder bloggen...´das ist wie die sieben Stufen aus meiner Berliner KunstKlosterZelle hochgehen und auf die öffentliche Straße treten. 
Da liegt ein zerkrachter Böller vor der Tür, dort fährt ein Auto und über die Straße geht ein Mann den ich nicht kenne, sowenig wie er mich. Dennoch teilen wir den selben Raum und bilden eine Begegnungskreuzung in KreuzBerg. Wir haben das Fremde gemeinsam. Und die Spanne zwischen Annäherung und Ignoranz.

... Die Schnittstelle, der Übergang zwischen Individualität und Kollektiv, ist ein körperlich erfahrbarer. Kaum trete ich aus meiner Wohnung auf die Straße, werde ich zur statistischen Wahrscheinlichkeit. Bin nicht mehr grenzenloser Innenraum, sondern ein Mann in einem bestimmten Alter, mit bestimmtem Aussehen und Auftreten. 
Ich trete nach Außen und entäußere mich sofort. Das heißt: ich reduziere mich auf äußere Signale und Zeichen und reduziere andere ebenso auf solche. Das ist als würde ich in meine Kleider steigen die Kleider spazieren tragen und darin unterwegs sein wie in einem Auto. Indirekt erlauben die Kleider Rückschlüsse. Es ist befreiend in Arbeitskleidern unterwegs zu sein. Sie erklären sich selbst. Kleider kommunizieren miteinander, Marken oder eben Nichtmarken registrieren sind wie Scanner, wie laufende Videos, die aufnehmen und registrierten ohne zu halten, ohne einen Vermerk und doch bleibt eine Spur in der Erinnerung. Es kann zurückgespult werden.

In den Straßen und Kaufhäusern bleibt mein Gesicht anonym. Wie das der andern auch.Ich fühle das auf der Haut, suche Spiegel  um michmeines Gesichtes zu vergewissern. Es reflektiert kein Du. Viele Gesichter sind ins Handy vergraben und beleben sich auf intime und zugleich unnahbare Weise. In den Gesichtern erkennt sich das Unbekannte und es schaut rasch weg. Fremde Gesichter sind zugleich Annäherungen an bekannte. Alle kennen sich auf einer Ebene die nicht so leicht zugänglich ist. Die Gattung Mensch hat ein eigenes gemeinsamens Auge, das durch die indieviduellen Pupillen linst.

Zwischen den Gesichtern sind Schichten von Fremdheit in denen sich die Vorstellungen voneinnader im Vorübergehen einnisten. Wenn nicht die Schutzingnoranz einen Aufnahmestop wegen Überflutung verordent hat. Ein jedes Gesicht ist eine Zeichnung, ein Zeichen. Eine Zeichnung in der der Betrachter liest und deutet. Lebendigste BildSchrift. Ägyptische Hyroglyphe. 

Das Gesicht der Nofretete weckt andere Gesichter auf. Ihr Blick strahlt aus einer Ferne in eine Ferne. Sie teilt den Raum und die Zeit nicht mit uns. Sie teilt uns nur mit, dass sie auch hier ist, ohne anwesend zu sein. In voller Schönheit und Majestät. Wir glauben nicht dass sie da ist, denn wir wissen, dass sei längst nicht mehr lebt. Und doch. Ewigkeit ist keine verlängerte, ins Unendliche ausgedehnte Zeit, sondern zeitlose Präsenz. Sein ohne Zeit also? Das aber ist widersprüchlich. Das gibt es nicht in der Zeit. Da wir in der Zeit sind und leben, gibt es also keine Ewigkeit? 
Nofretete sagt nichts dazu. Sie schaut aus einer Ferne in eine Ferne und ist präsent. Ich zeichne sie. Gezeichnete Gesichter prägen sich tiefer ein. Ihre Schichten und Überlagerungen werden transparenter.

Seit wenigen Tagen wieder zurück. In den großen Ateliers. Raum in der Natur. Das Gesicht der Natur wird die nächsten Wochen wieder Thema sein. Und die vertikalen Überlagerungen.