Gestern das zerstörte Gesicht des Diktators Gaddafi unfreiwillig von der ersten Seite der Bild-Zeitung eingefangen wie einen Virus.
Noch nicht lange ist es her, da nannten sie denselben Mann einen Verbündeten, der Europa helfen soll die Wirtschaftsflüchtlinge aus Afrika aufzuhalten und nannten ihn gar „Freund“ und hofierten den Öl-Reichen.
Achja die Reichen, die bösen Reichen, die bösen Banker - diese Gierigen.
Doch bei näherem Hinschauen verkörpern sie nur das System dem sie vorstehen.
Wirtschaftswachstum lebt von Bedarf, von Fortschritt, und der wird durch Bedarfsweckung erzeugt.
Gier ist da ein intelligent eingesetztes Instrument zur Weckung von latenten Bedürfnissen, das weiß doch jeder.
Mit der erotischen Begierde wird ebenso gedopt und gepuscht wie mit dem Neidfaktor, besser und mehr als der oder die Andere zu sein.
Wohlstand ist nach oben offen, wie die Rennen in allen Bereichen.
Zufriedenheit wirkt bieder, ja wirtschaftshemmend und rückständig, oder gilt auf der Ranking-Liste der herrschenden Meinung als ein wenig naiv-selig-besäuselt-resigniert-schwächlich-esoterisch.
„i can get no satisfaction“ sangen die Rolling Stones und machten eine Welthit damit, der immer noch dem Nerv der Zeit auf den Zahn geht.
„Genug ist nicht genug“, singt der deutsche Barde Constantin Wecker.
Deutliche Sprache! deutliche Gefühle die sich hier ausdrücken und ihre Suchtlegitimation finden.
Wer als mehr oder weniger Mächtiger sein Wort hält, wenn sich der Machtwind gedreht hat, gilt als rückständig, als unrealistisch oder gar als „Gutmensch“.
Erstaunlich, auch hier sprich die Sprache eine klare Sprache:
Gut und Mensch, zwei positive Begriffe, werden in der Kombination ein Buh-wort, während die „Bad-Boys“ und „Bad-Girls“ die luziferischen Quoten steigern und den geilen Erwartungs-Speichel auf Skandal und Sensation anregen.
Porno veröffentlich das Intimste und stülpt über die konkret sexuelle Liebe dann ihre Folien-Bilder. Das macht aus dem Liebespartner eine Projektionspuppe mit der sich die gespeicherten Programme abspielen lassen, die fälschlicherweise mit Fantasie verwechselt werden.
Gewalt wird in allen Facetten vorexerziert, Folter ist fact.
Wenn nicht in real, dann in den Filmen - mit allen Details - Tendenz steigernd, sonst schreibt keiner mehr drüber und keine geht mehr hin.
Cool sein gegenüber dem allen gegenüber sei cool.
Naja.
Doch was heißt das?
Genauer betrachtet ist das eine Abwehr die zur Abstufung und dann zur Verdummung weiter fort schreitet. Auch ein Fortschritt, nur eben fortgeschritten von etwas durchaus wertvollem, wie Sensibilität, Einfühlungsvermögen etc.
Verdummung hat die beneidenswerte Eigenschaft, dass sie ihre eigene Dummheit nicht merkt, sondern in der Regel noch stolz ist auf ihre Verkümmerung aufs Grobe und Brutale.
Darüber reden die klugen Kultivierten in Tork-shows klug, und exakt im vorgegebenen Zeitrahmen. Kluge sympathische Leute, die aber doch häufig die Medienoffensive, die längst steuernd in die Gehirne eingreift, harmlos reden.
Ein auswegloses Geschehen zeigt sich hier, das sich selber nicht im Zusammenhang erkennen kann oder darf, ohne einen Kurzschluss zu verursachen.
Dann sah ich noch gestern Abend noch eine beeindruckende Schüleraufführung der Walddorfschule Aalen von Dürrenmatts „Physiker“.
Kein Wunder also dass ich in der Nacht Alpträume hatte.
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... Nun, mangels Lösungen diesem medial vermittelnden Weltgeschehen gegenüber, das ja zum großen Teil einem Film gleicht der sich selbst zur Wirklichkeit realisiert, wache ich in einen stillen sonnigen Herbsttag hinein auf.
Vakuum.
Ein Vakuum setzt ein. Ich lasse es zu.
Kein Radio, keine Neuigkeiten, keine Ablenkungen.
Vakuum.
Ich braue mir eine guten Kaffee.
Das mache ich selten, deshalb ist es ein Genuss.
Dann schaue ich. Schau was ist, was ich sehe.
Nicht was im traumatischen Nachgeschmack auftaucht, und sich über die Augen legt wie Netze die das Sichtbare einzufangen suchen, auf der Jagd nach Beweisen für die Not und den problematischen Zustand der Welt.
Ich setze mich an des Fenster nah dem Wald und sehe das Licht den Waldweg herauf kommen.
Finde mich inmitten meiner Kunst, die etwas ganz anderes sagt, will und speichert,.
Es ist gut.
Mit einem Mal habe ich den Eindruck ich sitze am Fenster eines ICE, eine extrem schnellen ICE...auf einer Reise...um die Sonne, mit 30 km pro Sekunde.
Das erscheint wie Stillstand.
Wie stehende Stille.
Stehende Stille - vertikale Stille.
Was passiert?
Diese Reise bewirkt die Öffnung zum konkreten Jetzt-Sein inmitten des Werdes und Vergehens.
Inmitten der Macht- Gier- und Angststürme, die die Welt heimsuchen und in den Medien vergrößert und zelebriert werden wie kulinarisch exklusive Events.
Inmitten von Abschied und Ankunft - die exakt identisch sind,
nur von jeweils unterschiedlicher Warte aus betrachtet.
Mir scheint, nein ich bin sicher: das ist die richtige Richtung.
Meine Katze schnurrt.
Auf den Wiesen im Schatten ist noch das Weiß des ersten Nachtfrostes.
Zauberhaft schön.
Während ich schreibe bewegt sich der kugelrunde IC-Erde und das Licht schreibt andere Figuren in den Raum.
Diese Reise geht nicht irgendwohin - sie kommt von irgendwoher. Ganz eindeutig von der Sonne. Das Licht kommt her.
Ds ist wie eine Umkehrung zum Wegfahren oder Weggehen.
Es ist so viel was herkommt, was herkommen möchte, was im Herz ankommt, was schon da ist und erwacht.
LICHT.
Ich schaue und atme es ein.
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