Dienstag, 10. Januar 2012

Wintersonnwende 2011-2012 siebzehter Tag/Nacht

Mutter der Farben.


Technik: Ölfarbe, Holzkohle auf gerissener Wellpappe / Format: 30 x 30 cm


6.1.2012

16 Uhr


Letzter Tag des Projektes.

Drei König. Die drei Könige aus dem Morgenlande besuchen das Jesuskind. Ende der Rauhnächte, der Heiligen Nächte. Jetzt hat die Sonne, das leuchtende Himmelsschiff, seinen Kurs wieder aufgenommen. Es läuft langsam aus dem Winter -Hafen Richtung Sommer. Es hat in der Nacht geschneit. Alles ist weiß. Der gestrige Sturm hat Schnee gebracht. Schnee. Nochmals Feuer im Ofen. Zünde in dieser dunklen Morgenstunde die Honigwachskerze an. Finale.


Später: Ja. Finale.

Der heutige Malprozess hatte es in sich. Manchmal sagen Besuche,r dass es bei mir nicht aussieht wie bei einem Künstler. Es sei so „ordentlich“. Künstler sind nicht „ordentlich“. Stimmt, sage ich, Ordnung ist nur die schönste Form von meinem Chaos.

Heut sah mein Atelier aus wie bei einem Künstler. Farbentuben offen. Farben ausgedrückt auf Glasscheiben. Ölfarben. Bin im Atelier, im „Kreativreaktor“ hochsensibel. Bilder kann ich mir vorstellen. Doch was mich interessiert ist, auf der Basis dieser Vorstellungen in die Realisation zu gehen und dann für die Impulse gegenwärtig zu sein, die unmittelbar ins Material, in die Materialisation hinein kommen. Nicht vorstellbar, nicht ausdenkbar: spontan. Das ist wie eine Treppe. Eine Stufe nach der andern.


Die Vorstellung: das Bild von gestern verdichten. Farbige Schichten. Passt gut. Also los. Doch dann der Sprung auf die nächste Treppe. Ich wählte spontan Ölfarben, oder sie mich, statt wie bisher Acryl. Große Tuben. Drückte dicke Farbenwürste auf die Glasplatte. Das ist hochappetitlich und die Lust zu malen wiehert im Stall. Der beratende Programmierer, der jede veränderte Situation hochelastisch einzubauen sucht, hat gleich Vorschläge wie ich vorgehen könnte. Ich nehme mit breiter Spachtel verschiedenen Farben auf. Dann eine rasche Bewegung über den Karton. Es ist nicht kontrollierbar, die Bewegung soll rascher sein als die Kontrolle, aber nicht blind und hektisch, sondern inspiriert. Doch da kannst Du nur bereit sein. Inspiration kannst du nicht programmieren. So entsteht das erste Bild. Bin nach langem Ringen frustriert vom Ergebnis. Mache weitere Versuche. Der Programmierer liefert neue Vorgehensmethoden, auch Ideen. Die sind nicht schlecht. Ich will aber keine Idee malen, sondern ein Bild. Ich möchte, an diesem letzten Tag nicht nur eine Idee, sondern auch einen Körper, ich möchte ein Bild das sich verkörpert!

Ein Ganzes, in dem Geist, Herz und Körper atmen.


So male ich mich die Treppe hoch. Sie wird immer steiler. Male 6 Bilder und keines ist es. Das letzte allerdings wurde annähernd ein farbiger Uterus, ein saftiges Farb-Chaos. Ich malte mit der Spachtel und den Grundfarben. Also gut. Damit bin ich aus Erschöpfung einverstanden. Dann musste ich raus. Spazieren in der einsamen Schneelandschaft. „Mal doch eine Landschaft - Schneelandschaft, das passt zum letzten Tag, damit gehst du von der Innerlichkeit wieder nach außen“ schlug der Programmierer vor, der auch langsam heiß läuft. Nicht ganz schlecht dieser Vorschlag. Es tauchen noch zwei andere Ideen auf. Und dann jene Idee mit dem erhoffen Bild im Rucksack. Ich weiß sofort: das ist es. Es ist ganz einfach. Ich drehe das letzte Bild, den Farbuterus, um! Die Rückseite, die leere Fläche ist vorn. Offen für alles was kommen möchte. Der Grund ist bereit. Doch es ist kein Bild, sondern eine gute Idee.

In die farbigen Bilder davor malte ich immer wieder ein stilles Gesicht in die Farbmassen. Christus? Bloß keine flache Illustration des Unfasslichen, warnt zurecht das Tribunal! Aber ein stilles Gesicht stimmt. Ein stilles Gesicht auf die Rückseite des Farbuterus! Das wars. Die Idee rief das Bild hervor. Das geht. Das ist es.

Ich zeichnete mit Kohle das Gesicht. War unter Strom und wollte die Stille zeichnen. Es gelang nicht. Doch ich machte weiter. Dadurch wurde ich langsam still. Es war ein zeichnerischer Weg den ich lange nicht ging. Der Weg war mühsam und dornig und steil. Ich wollte schon aufgeben, und doch den Farbuterus als letztes Bild akzeptieren, das stille Gesicht dann auf dessen Rückseite lassen. Doch ich könnte es nur auf der Rückseite lassen, wenn ich damit einverstanden wäre. So zeichnete ich weiter. Mit Finger und Kohle. Es kam mir das Gesicht entgegen und ich mochte es so lassen. War ruhig. Froh. Da sah ich auf der linken Seite des Portraits kleine gelbe Farbflecke. Sie wirkten wie Gold. Sie störten nicht. Im Gegenteil. Wieder inspirierte mich ein spontaner Impuls. Nahm Farbe mit einer durchsichtigen Folie von den misslungen Bildern ab und tupfte sie behutsam neben das Portrait, ohne zu wissen worauf das hinausläuft. Ich schaute es an und schrie innerlich! „Jetzt ist es kaputt!!“ Etwas brach zusammen. Ich konnte nicht mehr! Das Bild stimmte dem aber nicht zu. So malte ich behutsam weiter und weiter, mit feinem Pinsel. Nahm die Farben von andern Bilder ab, die sich später dem Feuer gab, sodass auch diese Impulse integriert wurden, und wusste: jetzt bist du da wo du hinwolltest,die Treppe ist zu Ende. Du bist angekommen. Das malen geschah leicht und mit Freude. Die Farben reihten sich um ein Oval, ein Ei, die Form eines Schädels von oben. Was der Programmierer vorschlug erfüllte sich, jedoch überraschend anders. Ich malte nicht mehr auf ein Bild zu, sondern von diesem her . Was für ein Gesicht ist das? Meine Mutter!? Die Mutter der Farben.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ein Fundgrube für die Seele. Bilder wie Text werde ich in den nächsten Tagen studieren.
Meine Herz hüpfte öfters vor Freude bei solchen Sätzen wie:

"Das ist hochappetitlich und die Lust zu malen wiehert im Stall."
oder
"Bin im Atelier, im „Kreativreaktor“ hochsensibel".

Man spürt beim betrachten der Bilder und beim lesen der Texte die Kraft und Konzentration die bei Dir anwesend war. In der dunkelsten Zeit - hellwach. Eine Freude - fühl Dich umarmt. Uli