Donnerstag, 29. April 2010

Im Flutlicht ertranken die Engel

Alfred Bast

„Im Flutlicht ertranken die Engel“
2 Tafeln, je 100X150 cm
Asche, Acryl/Öl über Zeitungscollagen die auf eine Leinwand aufgeklebt sind. ´
Mistelzweig und Bergkristallpulver

Kunstraum Hohenstadt 1996



 WERKBRIEF

„Im Flutlicht ertranken die Engel“

(k)eine Gebrauchsanleitung

... Ein Freund fragte, als er das Bild sah, wie es dazu kam. Ich erzählte es ihm. Dann bat er mich es aufzuschreiben. Ich tat es. Gerne auch, denn gedankliches Durchdringen malerischer Erkundungen ist für mich wie eine Reisebeschreibung, die ich, wieder zurückgekehrt, dann zu Hause mache. Ich geht noch einmal durch alles durch und oft vertieft sich das Erlebte. Und um eine Reise geht es in diesem Bild auch.

... Keinesfalls darf die Beschreibung eine Gebrauchsanleitung sein!, denke ich. Und ich bin mir auch des Problems bewusst, dass Verbalisierung von Bildern die Betrachtung lenkt und oft einschränkt. Bin mir bewusst, dass es heute üblich ist als Künstler den Betrachter, als den eigentlichen Creator ohne den das Bild gar nicht existieren würde, zu hofieren und mit einzubeziehen, und ihm die Deutungshoheit zu überlassen.

Doch mit der Deutungsfreiheit sind fast alle, bei dieser Fülle an unzugänglicher aber anspruchsvoller Kunst, überfordert. Die Betrachter haben den Schwarzen Peter und stehen nicht selten peilich hilflos und mit sich ziemlich allein vor den deutungssaugenden Kunst-Vorgaben. Und so greifen sie denn in Museen gerne zu Headphones und buchen Gides, Führungen durch den Interpretationsdschungel, um zu erfahren was sie denn selber in sich entdecken sollen.

Also warum nicht doch eine Gebrauchsanleitung schreiben? Damit das Bild dann vom der Betrachterin und ihrem Mann, dem Betrachter, auch so zusammengebaut werden kann, dass es in ihrem Rezeptionsheim funktioniert. Ich finde darauf haben sie Anspruch.

Vom Künstler selbst darf allerdings eine solche Beschreibung nicht stammen, denn sonst wirkt er kopflastig. Hat er doch aus dem Bauch zu arbeiten und als stummes Urgestein der verlogenen Verbalwelt seine wortlose Wucht vor die Sinne zu werfen. Tja.

Doch mir ist der Kopf nun mal nicht nur lastig, eine Last, sondern auch lustig, eine Lust und  auch eine Öffnung, durch die sich ins Freie steigen lässt. Eine Öffnung,  durch die im besten Falle sogar der Kopf zu einer oberen Lunge wird, mit der Inspirationsluft geatmet werden kann.

Dem Bauch gefällt das auch, der kann sich endlich mal entspannen und ist nicht unermüdlich im Verdaungseinsatz, und damit beschäftigt seine Gärprozesse nach oben schicken zu müssen.

Ohnehin ist es eine Kunst, und ziemlich viel Arbeit, wie das Malen selbst, so zu schreiben, dass die Beschreibung die Sinne und den Sinn öffnet und nicht verstellt.

Wie gut, und ob das gelingt, ob es den Betrachter und die Betrachterin erreicht, das hängt sowohl von meiner Sprachfähigkeit, als auch von deren Interesse ab. Und davon ob eine Wechselwirkung entsteht. Das habe ich tatsächlich nicht in der Hand. 


Die Beschreibung
... Dieses nun gemalte Bild geht zurück auf ein inneres Bild, eine Art Vision, die ich über Jahre mit mir hegte. Das Zentrum bildete darin ein Kind, das die Erde mit sich trug wie einen Ball. Doch nicht wie einen Spielball, sondern eher wie einen zu schützenden Keim.
Ich sah dabei die Erde in kosmischer Dimension als einen Samen, der in die unendliche Weite des Alls gesenkt wurde. Wie in einen empfangsbereiten Uterus, den Schoß der Weltenmutter. Oder vielleicht handelt es sich auch um eine Rückreise zu den Ursprüngen. Eine Reise zu jener Quelle aus der alle Zeit und alles Sein entsprang. Möglicherweise ist beides identisch? Rückreise und neue Empfängnis?

... Die inneren Bilder sind selten. Sie kümmern sich nicht um den Zeitgeist, sondern tauchen als Urbilder, als archetypische Bilder auf. Sie sind heikel und schwierig zu äußern, weil die Urbilder als Menschheitsymbole bedeutungsüberfrachtet sind.

Solche inneren Bilder sind nicht als innere Fotos vorzustellen, sondern eher als Verdichtungen bewegter Felder, die sich zu einem Bild formen, das jedoch erst im und durch den offenen Malprozess seine gültige Gestalt erlangt.

... Ich wählte eine Grundierung, die den Zeitgeist, die aktuelle Interpretation der Zeit repräsentiert, indem ich Zeitschriftenbilder zerriss und als Collage mit Tapetenkleister auf die Leinwand klebte.
Diesen Grund übermalte ich dann mit Asche und schwarzer Acrylfarbe. Ich erzeugte damit einen Flächenraum der den Charakter eine "schwere Stille" hat.
Dabei geht es um die Repräsentanz der dramatischen Widersprüchlichkeit die sich in diesen Printproduktem ausspricht.
Auf der einen Seite wird in hochedlem Design mit intelligenten Methoden und visueller Effizienz der Mensch als Endverbraucher und Konsumenten angezielt, und im Artikel daneben, die Folgen dieses Konsums in kritisch-differenzierter Weise beschrieben, etwa bei Zigaretten und Alkohol.
Wenn in einer anderen Zeit, oder aus großer Distanz diese Zeitprodukte betrachtet werden, dann wir darin eine frappierende Gespaltenheit und Schizophrenie sichtbar.
Eine Wochenzeitschrift erscheint dann als das Symbol einer industriellen Produktion von Widersprüchen und Gespaltenheiten und einer gut organisierten Erzeugung von Desorientierung und Fragmentierung.

... Indem ich die Bilder und Seiten zerriss und sie neu zusammenstellte, wurden die strategisch kalkulierten Querverbindungen zwischen Bildern und Texten aufgehoben und in eine Art informeller Ursuppe zurückverwandelt.

... Der Rand bleibt transparent, lässt die Erinnerung und auch im dem blauen Boot ist eine Stelle ausgespart, die den Grund aufnimmt. Es ist die Stelle der Liebenden, die mit einer mumienartigen Tod-Gestalt verschmolzen sind.

Malen heißt nicht nur neue Bilder schaffen, sondern auch alte umzuwandeln und aufzulösen.

Ausschnitt

Das Blüten-Boot

... Über den mattschwarzen Zeit-Schriften-Grund entstand zunächst, mit Pastellstiften angelegt, ein mandorlaförmiger Körper, ein Art Raum- Zeitschiff, das das Kind mit der Erde trägt.
Vielleicht um den „geistigen Keim Erde“ vor der unersättlichen Gier einer schizophrenen unersättlichen Endverbrauchermaschinerie, die alle Seins-Mysterien durch einen zweckrationalen Filter quetscht, in Sicherheit zu bringen?

Ausschnitt

...Das notwendige Navigationssystem entfaltet sich als Blüte in der Mitte, als Licht und visueller Duft. Eigenschaften des universellen unsichtbaren Helfers, des Engels, der die Fahrt lenkt. Der Engel verschwand, während des Malens wieder, und wurde zur Energie, wurde lichtes Zentrum des Bootes. Er wurde und ist das Lichtauge, das das Unsichtbare sieht und selber nicht gesehen werden kann. Aus dieser Kraft des Engels bildet sich das Boot. Er ist das Boot.


Ausschnitt

... In dem Boot sind das Kind mit der Erde, und das liebende Paar manifestiert. Das Mysterium von Geburt, Liebe und Tod. Der Tod ist das Bett des Liebenden. das die Form einer Mumie hat, durch die der Untergrund, mit den collagierten Zeit-Schriften hindurch scheint. In dem Blüten-Boot, das auch eine Arche sein kann, wird, in Gestalt der Mumie "das Zeitliche gesegnet". Es hat den ihm gebührenden würdigen Raum. Allein der Dominanzanspruch des Zeitlichen über das Ewige ist aufgehoben. Doch ist das ganze Bild als eine Reise, also ein Geschehen in der Zeit. Doch eher wie eine letzte Reise, eine Reise aus der Zeit.


Die einzelnen Aspekte

Der Grund

Ausschnitt

... Der physische Malgrund ist Leinwand, über-klebt mit Zeit-Schrift-Collagen und übermalte mit Asche die in einem transparenten Acryl-schwarz gebunden ist.

... Die Grundstimmung des Bild-Themas bezieht sich auf ein Verständnis des Ewigen in der Zeit.
Das Ewige wird dabei nicht als eine zeitliche Dehnung ins Unendliche, oder eine Erfindung vergangener Epochen verstanden, sondern als ein über-zeitlicher Zustand, der sich nur in der Gegenwart ereignen kann.

... Die Spannung zwischen aktueller Beschleu-nigung in allen technischen Bereichen und der Stagnation, was die soziale, psycho-logische und seelische Entwicklung der Menschen betrifft, spiegelt sich wider in den sich weitgehend verselbständigenden Informationsmedien, die das menschliche Wahrnehmungs- und Aufmerksamkeitsvermögen permanent spalten und über-fordern .

... Der natürliche Gegner der Informationsmaschinerie ist die lebendige Stille. Also jene Eigenschaft, die die Voraussetzung ist für Introspektion, für die schöpferische Innenwahrnehmung und für den Weg zu den eigenen inneren Kraftquellen.

Das Ziel

Ausschnitt

... Ich verwende surrealistische Bildsprachele-mente, die in traditioneller Ölfarbentechnik über den schwarzen Aschegrund gemalt sind.

... Dieser Aschegrund über den collagierten Zeit-Schriften, eröffnet einen Raum, im zweiten Bild, dessen entferntes Zentrum eine Doppelgalaxie zu sein scheint, auf die das Boot zusteuert.

Vielleicht jene Doppelgalaxie in der die beiden Gehirnhälften des Menschen, und die beiden Geschlechter in unvorstellbar friedlich-ekstatischem Tanz und kreativen Orgasmen zusammenwirken?


Die Farbe

Ausschnitt

... Rot-Gelb spannen die beiden Tafeln zusam-men.Diese Farb- und Strukturrhythmen verzahnen sie kompositionell miteinander. Sie fassen die verschiedene Bild- und Bedeu-tungsebenen ein.Oder ist das eine Blutbahn in der die Vision erscheint? Vision und Illusion haben manches gemein-sam.


Illusion
... Das Bewusstsein unterscheidet zwischen der Illusion mit Täuschungsabsicht, jener Verfüh-rung die Wünsche weckt wo keine sind, und der Illusion die notwendigerweise entsteht, wenn Vision im Spiel ist. Denn das was (noch) nicht ist muss dargestellt werden, in Erscheinung treten.
Notwendigerweise ist dies, auch bei wenig strenger Prüfung, ebenso Illusion wie jene mit Täuschungsabsicht. Doch keine die ver-führt, sondern eine die hin-führt.

Das ist eine Illusion, die sich als solche zeigt, wie die Puppe beim Puppenspiel. Eine Illusion die als Metapher auftritt und zur Poesie wird, weil sie weiß, dass sie das wovon sie kündet, nicht ist, sondern spielt, vor-spielt.


Der Bergkristall

Ausschnitt

... Die Mehrdimensionalität der Bildebenen, setzt sich fort in der Mehrdimensionalität der verwendeten Materialien, die da sind: Leinwand, Zeitschriften, Asche, natürlicher Kleister, Kunststoff in Form von Acrylfarben, Ölfarben und Bergkristallpulver, dessen reine Qualität in freien Figuren über die Asche gestreut ist.

Mistel und Profil

Ausschnitt

... Der aufgeklebte Mistelzweig der die Teilung als natürliches Wachstumsprinzip und die Heilungspotenzen gegen die Wucherung des Krebses verkörpert ist der zugleich das Auge eines großen Profils.

Ein Profil, das im rechten Bild, kaum sichtbar, dem kommende Boot entgegeblickt, wie ein Wächter.

Mit diesem Bild bin ich in der Ausstellung in Eggenfelden vertreten.

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