Sonntag, 9. Mai 2010

Die Kunst der Deutung, oder: der DeutungsKünstler

Die Kunst der Deutung

...mal wieder durfte ich einer suggestiven Kunst-Führung beiwohnen.
Ein KunstDeuter "briefte" bzw. "impfte" seine Zuhörerinnen und Zuhörer.
Ich "musste" sehen was er mir sage. Denn man sieht was man weiß, und das was man wissen soll, das sagte er.

Das hat mich tief beeindruckt und ich denke: heut ist Sonntag, probier das mal aus.
Falls das mit dem Malen mal kunsthistorisch verboten wird. Wer weiß.
Statt sonntags malen, mal sonntags deuten. Das hat vielleicht Zukunft: Kunstprediger.

Ich fotografiere also, ohne groß zu überlegen, spontan, "aus-dem-Bauch-raus", drei Bilder. Sozusagen als optisches Futter für mögliches Deutungspotenzial.
Mal sehen was da rauskommt, was sich da denkend erspielen lasst.

...hier nun das Ergebnis sonntäglicher, muttertäglicher Mußestunden.



Ein-Führung:

drei aktuelle Postionen des Künstlers  Th. We. Zett


Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kunstfreunde..
Was ich Ihnen heute präsentieren darf ist etwas einmaliges. Es handelt sich um eine Trilogie des Künstlers Th. We Zett. Er ist ein international unbekannter Meister, (die Welt ist sein Atelier) der sich ständig auf Reisen befindet und in zahlreichen großen Ausstellungen, wie etwa in der Documenta 8 und der Bienale Venedig 2009, mit großformatigen, unsichtbaren und ergreifenden Werken vertreten war. Niemand hat sie gesehen, doch alle waren davon ergriffen.

Nun ist es uns, nach langen und schwierigen Wegen und Verhandlungen, und viel Glück!!! gelungen, drei Werke dieses scheuen Künstlers für unsere Präsentation als Originale zu bekommen. Sie, verehrte Anwesende, dürfen sich glücklich schätzen, die ersten zu sein, die sie zu sehen bekommen.

In diesen aktuellen Werken hat er drei hochspezielle Aspekte aus der Alltagswelt visualisiert, mit der er die Kluft zwischen Klassik und Pop, zwischen Exklusivem und Alltäglichem mit unwiderstehlicher Eleganz überbrückt.
Man ist ergriffen vor seinen Werken - ich kann Ihnen meine persönliche Begeisterung nicht vorenthalten - wie vor einem Leonardo. Freilich in ganz anderer, eben medialer und zeitgenössischer Form, die sich nicht so rasch erschließt und sich, selbstschützend, vor dem Banausenblick verbirgt.

Ich darf Sie nun, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer mit bescheidenen, ja kläglichen Worten, zu diesen Werken hinführen, und ich bin mir schmerzlich bewusst, wie wenig selbst die kühnsten Gedanken von der sprachüberschreitenden Dimension dieser Kunst zu erfassen vermögen.
Niemals, das sei vorausgeschickt, kann das Wort die Botschaft des Werkes ersetzen, denn sonst hätte der Künstler ja geschrieben.


Das erste Werk

ready made 

"MARKE"

In diesem Alltagsgegenstand sind Botschaften verschlüsselt, die uns der Künstler durch seine exklusive Präsentation bewusst macht. Der phallische Grundcharakter dieses Werkzeugs, der sofort die Assoziation von: Markieren, (denken sie aber bitte nicht an das was Hunde machen wenn sie Reviere markieren - das gehört nicht hierher), von: Marke und damit von: Merken weckt, vermittelt eine Potenz des schöpferisch-männlichen Prinzips, das sich durch den Name "BOSS" noch einmal steigert.
Während "STABILO" als FirmenMarke zugleich mütterliche Sicherheit und Haltbarkeit suggeriert.
"ORIGINAL", der dritte, schwarz auf orange gedruckter Begriff nun, sichert dem Produkt seine Individualität, und überträgt auf den Nutzer das Gefühl, hier etwas Hochwertiges in der Hand zu haben. Doch diese, mehr werbepsychologischen Hintergründe, sind noch nicht die Essenz des Kunstwerks selbst. Die Analyse ist lediglich ein vorbereitender Schritt, um ins Zentrum der transluzenten Alchemie des orangenen Behälters zu gelangen.

Denn was kann mit der leuchtenden Flüssigkeit nicht alles markiert werden?
Listen von Arbeitslosen, Preise von Kunstwerken, Namen von Terroristen, von Feinden aller Art? Oder von Freunden, die man auf eine Party einladen möchte?

Ihnen, liebe Gäste, ist es überlassen hier weiterzudenken, weiter zu spielen, Ihrer unbegrenzten Fantasie Raum zu geben. Nutzen sie die Begegnung mit diesem Werk, um ihre eigene schöpferische Fähigkeit zu entfalten.

Es soll, das darf ich noch einmal anmerken, mit diesen Worten nicht die Aussage des Kunstwerks verstellt werden. Nein! wir wollen Sie nur hinführen. Sie selber sind eingeladen interaktiv zu werden, denn ohne Sie, den Betrachter, die Betrachterin, ist jedes Werk unvollständig. Sie sind es der es "fertig" macht.


Kommen wir zum nächsten....bitte kommen sie....


Das zweite Werk

Installation

"EVOLUTION"

...Zu sehen sind zwei benutzte gepflegte Herrenschuhe ... ja Sie sehen recht ... und zwar mit hochwertigen Schuhspannern, die auf einer Eichentreppe im Paar nebeneinander stehen.

Der Künstler hat die Schuhe - bitte beachten Sie das, es wird leicht übersehen - nicht versetzt.
Er hat also nicht einen Schuh unten und den andern auf die nächste Treppe gestellt, was einen Schritt und damit Fortschritt suggerieren würde, sondern er hat wohl den Stillstand, die Stagnation auf
einer gepflegten Ebene im Auge gehabt. Oder auch die Harmonie eines Paares?
Kein Kunstwerk ist eindeutig! Es schenkt uns, ja fordert von uns, es mit unserer Deutung zu füllen, ohne dass wir es je erschöpfen könnten. Es bleibt Rätsel, und das ist die Größe aller großen und deshalb auch teuren Kunst. Doch das nur am Rande.

Th. We Zett, bringt hier den Titel "Evolution" in ein filigranes Spannungsverhältnis zur visuellen Botschaft. Zugleich wird deutlich, dass der Träger abwesend ist. Wo ist er? Ist er barfuß unterwegs, hat er andere Schuhe an? Wo ist das Weibliche?

Mit dieser eindeutigen Positionierung der männlichen Schuhe ruft der Künstler das Weibliche, den weiblichen Fuß und Schuh, mit all seinen zahllosen Variationen eben durch deren Abwesenheit zwingend ins Gedächtnis. Was will er uns damit sagen? Hier schweige ich lieber!

Faszinierend auch, dass es eine Eichentreppe ist, und dass die Schuhe nicht in der Mitte, sondern etwas nach rechts versetzt platziert sind....
...weiter...
Wenn ich Sie nun im Anschluss bitten darf das letzte der drei Werke noch in Augenschein zu nehmen...Sie werden sicher später noch zu den beiden eben gewürdigten Arbeiten zurückgehen um ihren eignen Bezug, ihr eigenes Spannungs- und Deutungsfeld aufzubauen.



das dritte Werk

Natural Objekt

"SCHWELLE"


In einem direkten Kontext zum Werk "Evolution" steht das "natrual objekt", eine anscheinend profane Fußmatte, in deren Strukturen Sie mäandernde Bewegungen erkennen können, die allerdings schon an manchen Stellen aufgebrochen und aufgelöst sind.

Dieses subtile Bild unbewusster Bewegungskräfte korrespondiert mit dem zweiten Werk "Evolution"
durch die unmittelbare Bezugsaufnahme der Schuhe, und weist auf das Thema der Abnutzung, der Entropie, der Vergänglichkeit hin und zugleich auf den Akt der Reinigung der seinerseits selbst zur Abnutzung führt.

Die Schwelle ist ein Kult.
Eine Matte auf einer Schwelle ist ein Schwellenelement.
Tritt. Treten. Auftreten. Abtreten. Eintreten. Austreten.
All das symbolisiert dieses so alltäglich anmutende Objekt. Es manifestiert jenen magischen Ort, in dem sich Draußen und Drinnen verbinden, worin zwei getrennte und gegensätzliche Räume ineinander übergehen. Eine Schwelle ist ein Brückenort.

Schauen wir auf die Struktur: die äußeren Energien mäandern von außen nach innen und umgekehrt, und sie lösen sich in freien chaotischen Faserbewegungen wieder auf.
Hier wird auch die Zeit thematisiert. Und wir fragen uns bang: Wer stand schon auf der Schwelle und wann? Wer wird noch darauf stehen, sie achtlos überschreiten, oder seine Schuhe respektvoll abtreten; um seinen unbewussten, an der untersten Stelle des Körpers haftenden Dreck, nicht ist Haus zu tragen. Und überschreiten wird nicht Schwellen? Ständig? Vielleicht auch ich mit diesen Worten? Treten wir nicht gemeinsam, über die Schwelle der Worte jetzt in das Geheimnis dieses Werkes ein, in sein innerestes Haus, um nicht zu sagen: seinen Tempel?

Der Künstler zeigt hier entschieden und bewusst den Zustand zwischen Form und Auflösung.
Möglicherweise bezieht er sich damit - er selbst schweigt beharrlich zu seinem Werk - auf die aktuelle Weltsituation. Etwa: die Natur in mäandernder, vom Menschen geordneten Form, die durch den Fortschritt und die Benutzung ("Schuhe") sich wieder in ihren ursprünglichen chaotischen Zustand zurückverwandelt?

Und vielleicht bezieht er ja in seinem dreiteiligen Werk den Marker in eine fulminante, von ihm verschwiegene, und für uns noch zu ergründende Aussage mit ein?

Doch dies ist eben Ihnen, den Betrachtern, freigegeben.

Sehr verehrte Anwesende, Sie erlebten es selbst: die Werke sprechen für sich! Es ist nicht einmal nötig sie in üblicher akademischer Manier kunstgeschichtlich zu verorten und mit berühmten Namen zu stabilisieren. Mit vehementer Sicherheit tritt uns hier ein epochales Oeuvre entgegen, das jeden Bezug und Vergleich außer Kraft setzt, und das uns zur Freiheit zwingt, in völlig neuen Kategorien zu denken.

Glücklicherweise sind wir inzwischen frei von engen Kunstbergriffen, wo noch handwerkliche Fähigkeit und Können den Geist beengten und in Grenzen bannten.

Dies hier ist ein offenes Werk, nichts wird vorgeschrieben, oder vorweggenommen. Der Künstler gibt uns allen Spielraum, weil er ein Rätsel schafft.

Wir sind außerordendlich stolz, ja glücklich diese Werke von Th. We Zett bei uns zu haben.


... Ich danke Ihnen sehr!


.....übrigens: alle Werke sind käuflich.

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